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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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glänzenden Schnüre am Griff gegen das feingemaserte Material, aus dem der Gegenstand gefertigt war, während die nicht minder langen Finger seiner rechten Hand ein Stück weiter unten an den Schnüren zupften, wo diese über ein rundes Loch im bauchigen Teil der Keule liefen. Dabei entstanden zauberhafte Klänge – ein hell schwingendes Summen, als ob der Geist Bogensehnen das Singen beigebracht hätte.
    Teriasch fuhr hoch, um sich auf die Ellenbogen zu stützen, und zerrte Dokescha dabei mit sich. Erstaunlicherweise schlief der Krieger ungerührt weiter.
    »Was machst du hier?«, entfuhr es Teriasch.
    Der Geist lächelte und spielte weiter sein Musikinstrument, denn nichts anderes konnte dieses Ding sein, das er da hatte. »Ich schaue nach, wie es dir geht.«
    Er spricht so laut! TeriaschsBlicke huschten durch das Zelt. Die Leiber der Schlafenden waren wenig mehr als kleine Schattenhügel, die sich an einigen Stellen in ruhigem Takt hoben und senkten.
    »Mach dir um sie keine Sorgen«, sagte der Geist. »Sie können uns nicht hören. Niemand kann uns hören.«
    »Träume ich?«
    »Tun wir das nicht alle?« In der Melodie lag mit einem Mal ein Hauch von Wehmut, den der Geist mit einem Seufzer noch verstärkte. »Du musst vorsichtiger werden, mein nackter Freund, sonst werden sie dir auf die Schliche kommen. Und was du kannst und was du bist, wird ihnen nicht gefallen.«
    Er spricht schon wieder in Rätseln. Doch dieses Mal lasse ich mir das nicht gefallen. Hat Pukemasu nicht gesagt, dass es auch Geister gibt, denen man forsch begegnen muss, damit sie einem nicht auf der Nase herumtanzen? »Kannst du mich befreien?«
    Die Augen des Geists funkelten. »Deine Zielstrebigkeit in allen Ehren, aber ich werde mich nicht einmischen. Es kostet mich auch so schon einiges an Überwindung, dir diesen kleinen Besuch abzustatten. So etwas tut man eigentlich nicht.«
    »Warum tust du es dann trotzdem?«
    »Ich sammle Geschichten über euch Menschen«, erklärte der Geist. »Deine Geschichte scheint mir eine vielversprechende zu werden, und es wäre schade, wenn du sie nicht zu einem passenden Ende führst.« Er neigte den Kopf in Richtung des schlafenden Wächters. »Ich fände es jedenfalls nicht passend, wenn sie damit endet, dass dir einer von diesen schrecklichen Leuten aus purer Angst mit seiner Hasta den Kopf von den Schultern schlägt. Das wäre die reinste Verschwendung.«
    »Du bist also ein Geist der Geschichten?«, fragte Teriasch. Von einem solchen Geist hatte er zwar noch nie gehört, aber Pukemasu hatte ihn noch längst nicht in alle Geheimnisse eingeweiht, die sie unter ihrem Schopf aus grauen Zöpfen verwahrte.
    »Wenn du zwingend darauf bestehst, dass ich ein Geist bin …« Er zuckte mit den Achseln, und seine Kapuze rutschte ihm ein Stück vom Kopf. »Ja, dann bin ich wohl am ehesten ein Geist der Geschichten. Zufrieden?«
    Nicht ganz. Obwohl der Geist angekündigt hatte, ihn nicht zu befreien, wollte sich Teriasch noch nicht geschlagen geben. Verhandlungen mit Geistern waren immer mühsam. Teriasch hatte in seiner Zeit bei Pukemasu so manches Beispiel dafür gesehen, welchen Aufwand man bisweilen treiben musste, um einen Geist für sich zu gewinnen. Ich werde nie vergessen, wie Pukemasu einen Viertelmond lang nur rückwärts durchs Lager gelaufen ist, um einen Geist der entgangenen Gelegenheiten gnädig zu stimmen. Und hatte seine Lehrmeisterin ihm nicht ein großes Geschick im Umgang mit anderen bestätigt? Hatte er sich nicht bei Awasaka, der ein berüchtigter Geizhals war, drei schöne Pfeilspitzen gegen einen Beutel Schwarzholzperlen ertauscht? Und nach dem letzten Jagdfest von Iputake, deren Lippen weich und kühl wie frisch gefallener Schnee gewesen waren, einen Kuss erbettelt? Obwohl sie nur drei Tage vorher noch überall erzählt hatte, sie würde lieber einem Schakal den Hintern lecken, als sich je mit einem Schamanen einzulassen. Ich bin noch nicht fertig mit dir, Geist der Geschichten. »Hast du einen Namen?«
    Zwei Herzschläge lang stockten die Finger des Geistes, und der Wächter neben ihm gab ein schmatzendes Geräusch von sich und kratzte sich träge am Hals. Dann setzte der Geist rasch sein Spiel fort. »Wenn ich wegen deiner albernen Fragen vergesse, die Saiten zu schlagen, stecken wir in einer misslichen Lage. Selbstverständlich habe ich einen Namen. Du kannst mich Fulmar nennen.«
    »Fulmar …« Teriasch setzte seine freundlichste Miene auf. »Du hast gesagt, ich müsste vorsichtiger

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