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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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und schielte nach links. Vor der Tür zum Gefängnis stand nach wie vor der Wächter, den Oberkörper leicht von dem Treiben auf dem Hof abgewandt, als versuchte er, möglichst keine Aufmerksamkeit zu erregen.
    Seine Kameraden waren inzwischen größtenteils der Anordnung ihrer Befehlshaberin gefolgt. In Dreierreihen standen sie auf den Türmen und entlang der Wehrgänge hintereinander, ihre absonderlichen Bögen in der Hand. Die vorderste Reihe hielt ihre Waffen schussbereit vor sich, die Pfeilspitzen der mittleren zeigten zum Himmel, die der hinteren zu Boden.
    »Nicht zu früh schießen!«, mahnte Amaris. »Bolzen sparen!«
    »Wir schaffen das nie im Leben allein. Sie werden uns überrennen«, redete Spuo weiter auf die Kustoda ein. »Spiel hier nicht die Heldin. Sei doch vernünftig. Wie weit ist der nächste Turris Migra von hier weg?«
    »Von hier? Fünfzehn, zwanzig Meilen«, entgegnete Amaris widerwillig.
    »Das reicht.« Spuo legte ihr eine Hand auf die Schulter. »So lange halten wir durch.«
    »Verbockte Scheiße!« Sie schlug seinen Arm beiseite, nestelte an ihrem Gürtel und drückte ihm einen kleinen Beutel aus schwarzem Stoff an die Brust. »Dann mach eben, wenn du nicht anders kannst, du Feigling!«
    »Der Dominex wird es uns allen danken«, erwiderte Spuo, verbeugte sich und hielt den Beutel dabei umklammert wie ein kostbares Kleinod. Er richtete sich auf. »Arka! Lenitas! Holt mir den Rufer!«
    Zwei Soldaten lösten sich aus ihrer Schussreihe und rannten eine Treppe in den Hof hinunter. Sie schleppten gemeinsam ein bronzenes Dreibein aus einem der Unterstände, auf das eine flache Schale aus demselben Metall aufgesetzt war. Über den Rand der Schale ragte trockenes Gras und Reisig.
    Amaris schaute mit verbitterter Miene zu, wie Spuo mit Stahl und Flintstein Funken schlug. Die Nahrung für das Feuer in der Schale musste mit einem brennbaren Öl getränkt worden sein, denn schon nach wenigen Augenblicken loderten Flammen auf, vor denen Spuo einen Schritt zurückwich. Er öffnete den Beutel und schüttete etwas daraus in seine Hand. Nach einer wegwerfenden Geste in Richtung des Feuers veränderte der Rauch, der von ihm aufstieg, von einem zum anderen Moment Farbe und Dichte. Dick und leuchtend rot quoll er in einer imposanten Säule nach oben, schneller und wirbelnder, als Rauch es je hätte tun dürfen.
    Was machen sie da? Der Rauch, dem der Wind der Steppe nichts anzuhaben schien, bereitete Teriasch Sorgen. Es sieht aus wie ein Ritual. Beschwören sie einen Geist? Er gewann Zuversicht aus dem Umstand, dass das Kriegsgeheul der Milchbäuche lauter und lauter geworden war.
    »Sechzig Schritte, Kustoda«, wurde von einem der Türme gemeldet.
    »Dann schießt diese Schreihälse endlich von ihren Gäulen!«, rief Amaris.
    Die vorderste Reihe der Schützen setzte den Befehl sofort in die Tat um. Die Sehnen der Arkakrux schnarrten, als sie ihre Spannung verloren und die Geschosse auf eine todbringende Reise schickten. Die Soldaten warteten jedoch offenkundig nicht darauf, mit eigenen Augen zu sehen, ob sie ihre Ziele trafen. Noch im gleichen Wimpernschlag traten sie in die hinterste Reihe, um nachzuladen und ihre Waffen mithilfe kurzer Hebel neu zu spannen. Die Reihe, die eben noch die mittlere gewesen war, war nun die vordere, und so schnell, wie sie jetzt schossen, war davon auszugehen, dass sie ihre Wartezeit genutzt hatten, um eigene Ziele auszuwählen. Kaum hatten sie ihre Salve abgegeben, taten sie es ihren Vorgängern gleich und begaben sich zügig nach hinten, um Platz für die nächste Reihe zu machen.
    Bei den Geistern! Sie handeln wie ein Mann! Bei allem Unheil, das dieser Pfeilregen über seine nahenden Retter brachte, konnte sich Teriasch nicht dagegen wehren, von der kühlen Vorgehensweise der Fremden beeindruckt zu sein. Sogar als die ersten von ihnen wankten und zusammensackten, weil die Milchbäuche nun ihrerseits in Schussreichweite gelangt waren, vollzogen die Soldaten unerschüttert jeden einzelnen Schritt ihres grausamen Tanzes. Als würden sie nicht sehen, wie ihre Freunde bluten. Als würden sie nicht hören, wie sie schreien.
    Während Spuo immer mehr roten Rauch schuf, forderte Amaris beständig neue Meldungen von den Spähern auf den Türmen ein.
    »Neun Treffer!«, hallte es über den Hof.
    »Sieben Treffer!«
    »Zwölf Treffer!«
    »Zwölf Treffer!«
    »Gut, Männer! Weiter so!«, feuerte sie ihre Truppen an.
    »Vergesst nicht, auf die Pferde zu schießen!«, empfahl Spuo.

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