Heldenzorn: Roman (German Edition)
niederging. »Was wollen sie?«, rief er.
»Bist du taub? Die Feles wollen sie! Sie meinen, wir hätten betrogen!« Der Halbling brüllte aus vollem Hals, um das schier rasende Publikum zu übertönen. »Silicis, du alter Schlappschwanz! Sag ihnen, dass wir gewonnen haben! Sofort! Was ist denn daran Betrug, wenn man weiß, in welches Loch man stoßen muss? Nur weil man in der Akademia Soma die Ohren spitzt, wenn die Körperkundler einem erklären, wo man am besten hinsticht, ist man noch lange kein Betrüger!«
»Was sind die Feles?«, fragte Teriasch.
Rukabo achtete nicht mehr auf ihn. Der Halbling war verstummt und sein Blick starr auf die Plattform gerichtet.
Silicis hielt sich den blauen Trichter vor den Mund. »Feles!«, rief er. »Feles!«
Der Boden unter Teriasch bebte vor dem Begeisterungssturm, der unter den wankelmütigen Zuschauern losbrach. Teriasch stand auf und humpelte zu Rukabo, der von Demeto heruntergehüpft war, um das eine Schwert des toten Kriegers aufzuheben. Der Halbling brachte die Spitze der Waffe, die viel zu groß für ihn war, kaum auf Kniehöhe. »Nimm dir das andere Schwert«, ranzte er Teriasch an, die blutige Miene düster. »Wir sollten wenigstens versuchen, Silicis ein bisschen ärmer zu machen, findest du nicht?«
Teriasch zog das andere Schwert aus dem Boden und wog es in der Hand. Schwer und für meinen Geschmack nicht krumm genug, aber es wird irgendwie gehen. Es muss gehen. Er vergewisserte sich mit zwei Stößen in die Luft, dass seine kleine Schnittwunde am Bauch ihn nicht in seinen Bewegungen behinderte. Das tat sie nicht. Ich wünschte, ich könnte das Gleiche von meinem Knöchel sagen.
»Sie kommen!«, rief Rukabo warnend.
Aus dem Tor, durch das Demeto die Arena betreten hatte, huschten die Feles: vier Löwen, weiß wie Schnee und groß genug, dass sie mit ihren rubinroten Augen über das hohe Gras der falschen Steppe nach ihrer Beute Ausschau halten konnten. Eines der Tiere zog die weit herabhängenden Lefzen hoch und hob den Kopf, um Witterung aufzunehmen. Dabei entblößte es gebogene Reißzähne, die länger waren als die Stoßdolche, die die Soldaten der Harten Menschen an ihren Gürteln trugen.
Teriasch begriff, warum Rukabo eben noch auf Silicis eingeschrien hatte, die Feles nicht in die Arena zu lassen. Sein ermatteter Zorn, den er nach dem Anlegen des Sklavenhalsreifs für völlig erschöpft gehalten hatte, gewann beim Anblick der vier Raubkatzen neue Kraft. Die lässige, brutale Zielstrebigkeit, mit der die weißen Löwen durchs Gras auf ihn zutrotteten, fachte die erloschen geglaubte Glut in ihm an. Nach allem, was er erlitten hatte, seit er von den Harten Menschen gestohlen und verschleppt worden war, sollte er jetzt als Fraß für diese Bestien enden? Damit sich andere Bestien, die auf zwei Beinen gingen, daran erfreuen konnten, wie er in Stücke gerissen wurde? Nach einem Kampf, den er und sein tapferer, verschlagener Gefährte noch weniger gewinnen konnten als den gegen den Krebskrieger?
Nein! Er ließ sein Schwert fallen. Nein!
»Bist du irre?«, kreischte Rukabo.
Nein! Erriss sich den Brustschmuck vom Leib.
»Was machst du da?«, jammerte der Halbling.
Er streifte den Kopfputz ab. Nein!
Er konnte die Feles riechen, so nah waren sie heran. Ihre rubinroten Augen fixierten ihn.
»Nein!«, brüllte er in der Sprache der Steppe und entfesselte seinen Zorn. Er brach aus ihm hervor. Roh, ungebändigt. Das Kollare um seinen Hals brannte wie Feuer. »Nein!«
Die Feles fauchten, legten die Ohren an, schlugen mit den Pranken nach der unsichtbaren Macht, die in sie drang wie Flammen, die sich durch verdorrtes Gras fraßen.
Und dann spürte Teriasch, was diese Tiere spürten. Hunger. Angriffslust. Sein Magen krampfte sich zusammen, er ballte die Fäuste. »Nein!«
Er sah, was die Feles sahen. Sich selbst, und wie in seinem Mund ein gleißendes Feuer loderte. Den blutbesudelten Rukabo. Und Demetos Leichnam in seiner stacheligen, harten Schale.
»Nehmt ihn!« Teriasch wusste nicht, ob er die Worte schrie oder ob sie sich nur in seinem Verstand formten. »Nehmt ihn!«
Es machte keinen Unterschied. Die Feles sprangen in hohen Sätzen an Teriasch und Rukabo vorbei und stürzten sich auf die Leiche. Sie zeigten sich kurz von den Stacheln der Rüstung verwirrt, doch als das erste Tier Blut von der Wunde in Demetos Schritt geleckt hatte, verstanden sie, dass es sich für sie lohnte, an der Beute zu zerren und zu schütteln. Bald hatten sie es geschafft, das
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