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Heldin wider Willen

Heldin wider Willen

Titel: Heldin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Moon
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Prozedur daraus. Die meisten Fehler – man gesteht sie natürlich ein und übernimmt die Verantwortung, aber die Entschuldigung versteht sich dabei unausgesprochen von selbst.«
    Esmay war überzeugt, dass sie keinesfalls annähernd so
    deutlich wurde wie eine Entschuldigung, die man offen
    aussprach. Falls man bei der Flotte jedoch entschieden hatte, in diesen Dingen unhöflich zu sein, konnte sie das auch nicht ändern. »Erregt es Anstoß, wenn man sich entschuldigt?«, fragte sie, um Hinweise zu erhalten, wie sie die Grenzen der
    Höflichkeit bei der Flotte umreißen konnte.
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    »Nein, keinen Anstoß. Es ist wohl etwas lästig, wenn es jemand immer tut… Es macht die Ranghöheren ein bisschen
    nervös, weil sie nicht wissen, wie ehrlich es gemeint ist.«
    Esmay zog die Brauen hoch. »Man kennt hier unaufrichtige Entschuldigungen?«
    »Natürlich«, sagte er. Dann warf er einen weiteren Blick in ihr Gesicht. »Bei Ihnen nicht«, sagte er. Es war keine Frage.
    »Nein.« Esmay holte tief Luft. Sie fühlte sich, als wäre sie in ein trockenes Flussbett gelaufen und bis zu den Sprunggelenken in den Treibsand gesunken. Sie redete schnell weiter und achtete auf einen gefühlsarmen Tonfall, so gut sie konnte. »In unserer
    … Auf unserem Planeten gehört eine Entschuldigung immer
    dazu, wenn jemand die Verantwortung für einen Fehler
    übernimmt. Sie geht mit aktivem Handeln einher, um den
    Schaden wieder gutzumachen und sicherzustellen, dass sich der Fehler nicht wiederholt.« Das war fast ein Zitat aus den Kon-ventionen. »Eine unaufrichtige Entschuldigung ist nur eine beliebige weitere Lüge.« Ein ernster Fehltritt, wollte sie damit sagen, und sie spürte ein Kitzeln im Mund, als sie sich an den ganzen heißen Pfeffer erinnerte, mit dessen Hilfe man ihr eingetrichtert hatte, wie wichtig es war, die Wahrheit zu sagen, wie unerfreulich sie auch ausfiel. Sie hätte ihren Vater nie einer unaufrichtigen Entschuldigung verdächtigt – lediglich einer, die viel zu spät kam und unzulänglich war.
    »Faszinierend«, sagte er; nach seinem Ton zu urteilen, meinte er es ernst und empfand ehrliches Interesse, nicht nur eitle Neugier auf die Barbaren. »Es muss für Sie ganz anders
    gewesen sein, wenn Sie das nicht wussten… Ich meine …«
    »Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Esmay. »Es ist – für 310
    mich eine neue Idee, dass es mich in Schwierigkeiten bringen kann, wenn ich mich entschuldige.«
    »Sie würden die falsche Vorstellung von sich selbst vermitteln.«
    »Ja, schon verstanden. Danke für die Informationen.«
    »Sie brauchen sich nicht zu bedan …« Wieder dieser Blick aus den strahlenden Augen. »Aber Sie tun es, nicht wahr? Der Dank geht mit der Entschuldigung einher… Auf Ihrem Planeten muss es schrecklich förmlich zugehen.«
    »Nicht für meine Augen«, sagte Esmay. Das war nicht
    Förmlichkeit, sondern Rücksicht auf die Gefühle anderer.
    Förmlichkeit, das waren die Abendessen am Gründertag oder Verleihungszeremonien – nicht, wenn einer der Zwillinge
    hereinkam, um sich dafür zu entschuldigen, dass er Esmays alten blauen Krug zerbrochen hatte.
    »Wirken wir – ich meine, die anderen, die in die Flotte
    hineingeboren wurden – unhöflich auf Sie?«
    Sollte sie darauf Antwort geben? Sie konnte nicht lügen, und er war unerwartet offen zu ihr gewesen. »Manchmal«, sagte Esmay. Sie rang sich ein Lächeln ab. »Ich vermute, dass ich manchmal auch unhöflich auf Sie wirke – oder die anderen.«
    »Nicht unhöflich«, sagte er. »Sehr höflich – extrem höflich, sogar förmlich. Alle sagen, wie nett Sie sind – so nett, dass sie einfach nicht schlau daraus werden, wie Sie das tun konnten, was Sie getan haben.«
    Esmay zitterte. Dachten sie wirklich, dass Unhöflichkeit mit Stärke einherging, mit dem Mörderischen – dass jemand, der Bitte und Danke und Entschuldigung sagte, nicht kämpfen oder 311
    in einer Schlacht den Befehl führen konnte? Eine grimmige Befriedigung flackerte kurz auf: Falls die Altiplano-Milizje ihren Planeten verließ, würde die Flotte gar nicht wissen, wie ihr widerfuhr. Stolz ist eine aus Asche geborene Blüte. Das alte Sprichwort klingelte ihr in den Ohren. Bitter im Mund, scharf in der Nase, stechend in den Augen und vom ersten Wind
    weggeweht, der von den Bergen herunterfährt. Pflanze nicht Stolz, auf dass du nicht Scham erntest . Sie musste beinahe den Kopf schütteln, um ihn wieder von dieser alten Stimme zu befreien.
    »Ich weiß selbst nicht recht, wie

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