Heldin wider Willen
Losa, sobald der Mann gegangen war. »Und gefährlich.«
»Ja, aber zahlungsfähig. Wir brauchen sie ja nicht zu mögen
… «
»Das hast du vorher schon gesagt.«
»Es ist wahr.«
»Er hat mir Angst gemacht… Er selbst hatte keine Angst; er war nur wütend. Was, wenn sie sich für diese Behandlung
rächen wollen?«
Arhos sah sie an und wünschte sich, sie würde sich endlich entschließen, wer sie eigentlich war. »Losa … Wir sind in einer gefährlichen Branche tätig, und es hat dir bislang nichts ausgemacht. Wir verfügen über eine gute Sicherheitstechnik; 45
wir werden Vorkehrungen treffen. Möchtest du nun diese
Verjüngung oder nicht?«
»Natürlich möchte ich sie.«
»Ich denke, du ärgerst dich einfach nur darüber, dass ich es war, der diesen Vertrag möglich gemacht hat, und nicht du.«
»Vielleicht.« Sie seufzte und lächelte dann, was sie inzwischen nur noch selten tat. »Ich brauche die Verjüngung wohl wirklich, wenn ich schon vorzeitig zu einer ängstlichen alten Dame werde.«
»Du bist keine alte Dame, Losa, und jetzt wirst du es auch nie werden.«
46
RSS Harrier
Zu dem Zeitpunkt, an dem das Flaggschiff beim Sektor-Hauptquartier eintraf, betrachtete Esmay das Gerichtsverfahren schon als Tür zur Freiheit – Freiheit von den Spannungen und Rivalitäten in einer Gruppe verängstigter Subalternoffiziere, die nicht genug zu tun hatten. Obwohl es, wie sie vermutete, in rechtlicher Hinsicht sinnvoll war, sie isoliert und relativ untätig zu halten, fühlte es sich doch wie eine Strafe an.
Sogar das größte Schiff bietet nur begrenzte Mittel zur
Entspannung; normalerweise ist die Besatzung sowieso die meiste Zeit im Dienst. Esmay versuchte sich zu überwinden und die Lernwürfel zu benutzen – und sie ermutigte auch die
anderen, ihrem Beispiel zu folgen –, aber mit einem Knoten der Ungewissheit im Zentrum des Gehirns konnte sich der Rest dieses Organs einfach nicht auf so trockene Themen
konzentrieren wie »Methoden zur Ausspülung von Filtern in einem geschlossenen System« oder »Kom-munikationsprotokolle für Flottenschiffe, die in Zonen mit den Klassifikationen F und R operieren«. Was die Taktikwürfel anging, so wusste Esmay bereits, an welcher Stelle sie bei der Rückkehr nach Xavier Fehler gemacht hatte, und daran konnte sie jetzt auch nichts mehr ändern. Außerdem berücksichtigte keiner der Taktikwürfel die technischen Probleme, vor denen sie gestanden hatte, als sie ein Schiff in die Schlacht führte, das schon bei einer Meuterei innere Schäden erlitten hatte.
Sie konnte tagsüber nicht hart genug arbeiten, um für nachts erholsamen Schlaf zu gewährleisten. Körperliche Erschöpfung hätte ihr vielleicht dazu verholfen, aber die Zeit, die ihr im 47
Trainingsraum zustand, reichte nicht, um sie herbeizuführen.
Und so kamen Nacht für Nacht die Albträume, aus denen sie schweißgebadet und mit verklebten Augen erwachte. Die
Albträume, die sie begriff, waren schon schlimm genug, stellten Wiederholungen der Meuterei oder der Schlacht von Xavier dar, komplett mit Ton und Geruch. Andere schienen jedoch gespeist aus Erinnerungen an schier jeden Ausbildungsfilm, jede
militärische Metzelstory, die sie je gehört hatte … und alles ein einziges Durcheinander wie die scharfen Scherben einer
zersprungenen Schüssel.
Sie blickte auf in das Gesicht eines Mörders … Sie blickte hinab und sah die eigenen Hände voller Blut und Eingeweide …
Sie starrte in die Mündung einer Pearce-Xochin 382, die sich zu weiten schien, bis Esmays ganzer Körper hätte hineinrutschen können … Sie hörte sich selbst mit hoher dünner Stimme
betteln, jemand anderes möge endlich aufhören… NEIN! Als sie diesmal wach wurde, in klammes Bettzeug verwickelt, klopfte jemand an die Tür und rief nach ihr. Sie hustete ein paar Mal und fand dann die Stimme wieder, um zu antworten.
Es war keine Tür, sondern eine Luke; sie war nicht zu Hause, sondern an Bord eines Schiffes, was besser war als zu Hause.
Sie atmete tief, wie sie es sich selbst eingeschärft hatte, und erklärte der Stimme draußen, dass es nur ein schlechter Traum gewesen war. Gemurre wurde vor der Luke vernehmbar: Einige von uns brauchen auch ihren Schlaf, weißt du? Sie entschuldigte sich und kämpfte gegen eine plötzliche Woge unerklärlichen Zorns an, der sie drängte, die … Luke, nicht Tür, aufzureißen und die Person da draußen zu erwürgen. Es lag an den
Umständen; natürlich gingen einem hier schon
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