Heldin wider Willen
und außerdem schießt jemand auf uns. Ich frage mich, wo die Kamera-mannschaft für den Abenteuerwürfel steckt?«
»Natürlich auf dem anderen Geleitschiff«, sagte Frees.
»Deshalb schießen sie auch noch nicht direkt auf uns.«
»Ich würde mich glatt fragen, was noch alles schief gehen kann, aber ich möchte das Universum nicht auf dumme
Gedanken bringen«, sagte Bowry.
Esmay lächelte. Auf einmal fiel ihr noch etwas auf, was sie übersehen hatte … ein Humor, der genau auf ihrer Linie lag.
»Falls sie eine Standardentfernung einhalten, können sie keine Massewaffen auf uns abfeuern, ehe wir gesprungen sind«, sagte Seska. »Und wir haben es bislang mit nur einem
Geleitschiff zu tun, nicht wahr? Noch zwei weitere
Direktschüsse, und sie müssten die Energiebänke leer gepustet haben. Bis sie erneut aufgeladen wurden, sind wir längst weg.«
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»Vorausgesetzt, das andere röstet uns nicht«, sagte Bowry.
Erneut flammte Licht auf, und diesmal wurde der Dunstschleier dichter. Der Rest des Transportgleises schälte sich ab. »Gute Zielerfassung, aber sie verheizen ihren Energievorrat, wenn sie nicht ablassen.« Abrupt wurde es dunkel; Esmay blinzelte, und die Sterne erschienen wieder.
»Falls das andere auch feuern wollte, wäre das längst passiert.
Soweit ich bei der ersten Konferenz gehört habe, hat einer der Geleitkommandanten nur geschwafelt und wollte
wahrscheinlich hinausspringen, unter der Vorgabe, Hilfe zu holen.«
»Also desertieren …«, überlegte Frees.
»Nein, seinen Arsch decken«, entgegnete Bowry. »Wie ich
die Umsichtigen hasse!«
»Alles okay mit Ihnen, Lieutenant?«, fragte Seska, klang allerdings nicht besorgt; nur eine Nachfrage.
»Prima, Sir«, antwortete Esmay. »Ich habe nur versucht, mich zu erinnern, ob es hier in der Nähe eine Luftschleuse gibt.«
Denn selbst wenn sie den Sprung an der Außenseite des Schiffes prinzipiell überleben konnten, ging ihnen die Luft aus, ehe es vorüber war… Selbst ein kurzer Sprung dauerte mehr Tage, als der Luftvorrat eines Raumanzugs hielt.
»Das ist eine Idee«, fand Seska. »Also wieder einsteigen und den Gegner angreifen?«
»Nein, Sir … Wir sind nur zu viert und haben nur vier leichte Waffen. Ich hatte mir überlegt, dass wir vielleicht, bis wir aus dem Sprung kommen, in der Luftschleuse bleiben könnten, die Außenluke einen Spalt weit geöffnet, damit niemand von innen öffnen kann. Von da an sehen wir weiter.«
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»Könnte klappen«, sagte Seska. »Wir können die Anzug… «
Die Koskiusko bahnte sich ihren Weg in den Sprungtransit, begleitet von einem unheimlichen, rutschenden Schlingern und einer Vibration, die sich ihren Weg durch Esmays Stiefel bis in die Nasennebenhöhlen bahnte. Die Sterne waren verschwunden.
Esmay konnte nichts weiter sehen als die Anzeigen im Helm, und die sahen wirklich sehr merkwürdig aus. Im Funk war es still, und diese Stille wirkte so dunkel wie die Schwärze, die sie umgab. Unter ihr setzten sich die Vibrationen unaufhörlich fort; sie waren für das Schiff nicht bekömmlich, für die Verbindung von Flügel und Kern, für die Triebwerke selbst. Falls sie versagten, falls sie an irgendeinem nicht kartographierten Punkt aus der Überlichtgeschwindigkeit herausfielen …
Esmay klammerte sich an die Handgriffe und redete sich gut zu, um die Panik zu bekämpfen. Natürlich war es dunkel; sie hatten das licht hinter sich gelassen. Und ob ihre Anzeigen nun seltsam aussahen – sie konnte sie weiterhin erkennen. Der Sauerstoff zum Beispiel reichte noch für zwei Stunden … aber während sie hinsah, veränderte sich keiner der Werte mehr. Das Display für die im Raumanzug ablaufende Zeit war erstarrt, rührte sich nicht mehr.
Sie war in theoretischen Fragen noch nie besonders gut
gewesen, und sie verstand wenig vom Überlichtflug, außer dass man unmöglich definieren konnte, an welchem Ort und in
welcher Zeit sich Schiffe befanden, wenn sie aus einem
Sprungpunktverschwanden und wieder auftauchten.
Der Überlichtflug verlief nicht augenblicklich wie der
Ansible-Funk; der Zeitablauf an Bord konnte sich von einigen Stunden bis zu Tagen erstrecken, gar bis zu einem Viertel-standardjahr, wie es beim längsten Flug aller Zeiten gewesen 507
war, über den Unterlagen existierten. An Bord, innerhalb des Rumpfes und der Überlichtschilde, funktionierten die Uhren.
Hier draußen … Esmay zwang sich, Luft zu holen, was sie nicht als beruhigend empfand. Sie atmete; sie spürte die warme
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