Heldin wider Willen
der eigenen Energiekanonen ausgeführt und sich dadurch selbst geröstet hatten. Sie warf einen Blick zur Seite, ohne den Kopf zu drehen, und sah weitere Lichtstrahlen ähnlich dem eigenen, nur in anderen Farben … und spürte, wie sie jemand im Rücken berührte.
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»… folge Ihnen«, sagte Seska. »Halten Sie direkten Kontakt.«
Sie tastete sich von einem grifftauglichen Vorsprung zum nächsten vor. Es war, als kletterte man im Dunkeln auf Felsen herum, was sie nur einmal gemacht hatte, weil es eine so törichte Methode war, sich zu verletzen – über einem dunklen Abgrund zu hängen und nach Vorsprüngen zu tasten und nicht zu wissen, wie tief es hinunterging …
Hier war unten ein bedeutungsloser Begriff, und sie hatte keine Ahnung, was geschehen würde, wenn sie den Kontakt mit dem Schiffsrumpf verlor. Sie spürte keinerlei Druck von außen, wie es beim Flug durch eine Atmosphäre der Fall gewesen wäre, wenn der Wind an einem rüttelte. Nein, aber von tief innen stieg ein anderer Druck auf, als ihr Körper darauf beharrte, dass etwas nicht stimmte, dass es ganz übel aussah und dass man sich nicht auf diese Weise fortbewegen sollte. Die schlimmsten
Vibrationen hatten sich eingependelt, und es hätte jetzt besser laufen müssen. Stattdessen spürte Esmay, wie der Druck im eigenen Schädel stieg; sie spürte, wie die Zahnwurzeln die Nasennebenhöhlen kitzelten; die Augen sprangen fast aus den Höhlen, um der Anschwellung zu entgehen.
Sie hielt an, als sie ein Zupfen an der Leine bemerkte, die sie mit den anderen verband. Ein Helm klopfte an ihren und kam dann daran zur Ruhe.
»… denke, dass wir vielleicht gar nicht innerhalb der
Überlichtschilde sind«, sagte Frees. »Nur innerhalb der
Kollisionsschilde.«
Natürlich! Esmays Gedächtnis gab diesmal den korrekten
Bezug her und zeigte ihr, dass die Generatoren der
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Überlichtschilde ein Netz aus Anknüpfungspunkten direkt unter der Rumpfbeschichtung beeinflussten. Natürlich konnte die Rumpfaußenseite nicht gegen Überlichteinflüsse abgeschirmt werden – dort musste sich das Schiff ja entlangbewegen.
Es fiel Esmay schwer, nicht das Licht aus der eigenen Lampe zu überholen, aber sie fand allmählich heraus, wie sie den Kopf halten und sich bewegen musste, damit sie mögliche Handgriffe und Klammermöglichkeiten für die Sicherungsleine erblickte.
Sie kam an einer Funkanlage vorbei und erinnerte sich daran, dass sie demzufolge nur noch wenige Meter von der
Luftschleuse entfernt war. Aber in welcher Richtung? Und wie viele Meter genau? Sie hielt dort an und wickelte die Leine um den Sockel der Mastenanlage (und warum war diese nicht
abgerissen, als das Schiff den Sprungpunkt durchquerte?).
»Es ist nicht mehr weit«, erklärte sie den anderen, als sie sie eingeholt und die Helme aneinander gelegt hatten, wie Kühe, die sich gegenseitig mit den Nasen anstupsten. »Warten Sie hier
– ich gehe nachsehen.«
Eine Pause. »… in verschiedene Richtungen leuchten. Könnte helfen.« Das würde es. Sie sah zu, wie sich zwei Lichtbalken beiderseits von ihr entrollten. Sie spielte sich selbst fünf oder sechs Meter Spielraum an der Sicherungsleine zu und huschte zu deren Ende hinaus; dann startete sie auf eine Kreisbahn.
Als sie die Luftschleuse fand, stellte sie fest, dass sie eine Sichtluke neben der Steuertafel aufwies. Sie schloss ihre Leine an der für diesen Zweck vorgesehenen Stange an, blickte durch das Fenster und sah auch dort nur Dunkelheit. Sie wollte lieber nicht versuchen, die Innenbeleuchtung einzuschalten – warum der Kommandoeinheit der Bluthorde verraten, wo sie steckten?
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Sie zupfte an der Leine, um den anderen ein Signal zu geben, und kämpfte mit der Steuertafel, während sie darauf wartete, dass sie sie einholten. Es fiel ihr schwer, die Lampe auf die Steuerung gerichtet zu halten, während sie Letztere zu bedienen versuchte. Die Sicherheitsabdeckung glitt endlich zur Seite, und sie sah sich die Instruktionen an. Die Luke war im Hinblick auf einen Notausstieg entworfen worden, nicht einen Noteinstieg, sodass die Einstiegsanweisungen voller Sicherheitshinweise waren und Bedienungssequenzen aufwiesen, die verhindern
sollten, dass irgendein Idiot den Luftdruck aus den
angrenzenden Sektionen jagte.
Sie tippte die Sequenz ein, die eigentlich funktionieren sollte.
Nichts geschah. Sie sah sich erneut die Instruktionen an.
Zunächst die Innenluke verriegeln und dazu den Schalter mit der Kennzeichnung INNENLUKE und
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