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Heldin wider Willen

Heldin wider Willen

Titel: Heldin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Moon
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sagen, dass Sie eine gefasste Miene zeigen sollen; das tun Sie ohnehin stets.«
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    Trotz der Warnung empfand sie die schiere Masse der Video-und Audio-Aufnahmegeräte und die durcheinander schreienden Stimmen der Interviewer wie einen Schlag ins Gesicht, als sie zum ersten Mal von den Räumen der Angeklagten zum
    Gerichtssaal ging.
    »Lieutenant Suiza, stimmt es, dass Sie Captain Hearne eigenhändig getötet…?«
    »Lieutenant Suiza, nur eine kurze Stellungnahme zu
    Commander Serrano, bitte!«
    »Da ist sie … Lieutenant Suiza, wie fühlt man sich als Held?«
    »Lieutenant Suiza, was wird Ihre Familie davon halten, dass Sie vor einem Kriegsgericht stehen?«
    Sie spürte, wie ihr Gesicht zu einer steinernen Maske erstarrte, aber hinter dieser Maske fühlte sie sich hilflos und verängstigt. Eine Mörderin? Eine Heldin? Nein, sie war nur ein subalterner Lieutenant, der glücklich gewesen wäre, noch auf Jahrzehnte hinaus eine unbekannte Persönlichkeit zu bleiben.
    Die Meinung ihrer Familie zum Kriegsgericht … Darüber
    wollte sie gar nicht nachdenken. Eingedenk des Problems der Öffentlichkeit hatte sie ihr nur die denkbar knappste Nachricht zukommen lassen – und sie gebeten, nicht zu antworten. Sie traute nicht mal den Ansibles der Flotte zu, unter dem Druck jedes Nachrichtenmediums der Familias Übermittlungen diskret durchzuführen.
    Im Gerichtssaal sah sie sich einer weiteren Phalanx von
    Aufnahmegeräten gegenüber. Selbst als sie die Rituale des Gerichts absolvierte, spürte sie regelrecht, wie jedes Wort, jeder flüchtige Gesichtsausdruck zu den Planeten hinausgesendet wurde, wo alle Menschen zusehen konnten. Chapin, der am
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    Tisch der Verteidigung wartete, murmelte: »Entspannen Sie sich, Lieutenant; Sie sehen aus, als wollten Sie dem Gericht den Prozess machen, nicht umgekehrt.«
    Die diversen Verfahren waren schon dadurch miteinander
    verbunden, dass jeder der Offiziere eine Aussage über das Verhalten der anderen machen musste – durch die Notwendigkeit zu bestimmen, ob die Meuterei Ergebnis einer
    Verschwörung gewesen war. Esmay war jedoch als ranghöchster überlebender Offizier nominell weiterer Verstöße gegen den Kodex angeklagt. Chapin hatte betont, dass diese Anklagen technisch erforderlich waren – und dass die meisten seiner Meinung nach rasch verworfen werden würden, wenn
    man bedachte, dass sie durch keinerlei Beweise gestützt wurden.
    »Leider«, hatte er gesagt, »bedeutet allein die Tatsache, dass Hearne eine Verräterin war, noch nicht, dass Sie Meuterer außer Gefahr sind: Sollte irgendein Beweis aufzufinden sein, dass es schon eine Verschwörung zur Meuterei gab, ehe klare Hinweise auf Hearnes Verrat vorlagen, dann wäre diese Verschwörung an sich schon Grund, Sie dieser Anklage schuldig zu sprechen.«
    Aber soweit Esmay wusste, hatte keiner der Untergebenen, die nicht im Sold der Wohltätigen Hand standen, Hearne oder die übrigen Verräter verdächtigt. Sie selbst ganz gewiss nicht.
    Hearne hatte in mancher Beziehung ein wenig schludrig
    gewirkt, aber Gerüchten nach war sie im Kampf brillant, und Gerüchte brachten auch eine leichte Missachtung »unnötiger«
    Bestimmungen mit überlegenen Gefechtsfähigkeiten in
    Verbindung.
    Jetzt erlebte Esmay sich selbst, wie sie die Geschichte ihrer Versetzung auf die Despüe wieder ganz von vorn erzählte. Ihre Dienstpflichten, ihre übliche Routine in der Freizeit, ihre 75
    Verantwortung gegenüber Untergebenen, die im Rang noch
    unter ihr standen, ihre Einschätzung der Gleichrangigen.
    »Und Sie hatten keinerlei Verdacht gegenüber Kommandantin Hearne, Major Cossordi, Major Stek oder Lieutenant Arvad?«
    »Nein, Sir«, antwortete Esmay. Sie hatte das schon früher gesagt, zu jedem Einzelnen der genannten Offiziere.
    »Und soweit Sie wussten, hatte auch niemand sonst den
    Verdacht, sie stünden im Sold der Benignität?«
    »Nein, Sir.«
    »Hatten Sie eine besondere Beziehung zu Dovir?« Die Idee war so lächerlich, dass Esmay fast die Kontrolle über den Gesichtsausdruck verlor.
    »Dovir, Sir? Nein, Sir.« Längeres Schweigen folgte; sie
    fühlte sich versucht, Dovirs Vorlieben für spezielle Gefährten zu erklären, entschied aber, es lieber zu unterlassen.
    »Und Sie haben nie etwas über eine Intrige gehört, eine
    Meuterei gegen Kommandantin Hearne anzuzetteln?«
    »Nein, Sir.«
    »Kein Murren irgendwelcher Art von Offizieren oder
    Mannschaften?«
    Das war etwas anderes. Murren erfüllte Schiffe, wie es die Luft tat; die

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