Heldin wider Willen
damit das Bevölkerungswachstum an …«
»Zum Teil. Die Wirtschaft Altiplanos ist vor allem Landwirtschaft, wie du weißt. Unser Planet ist dafür nicht nur geeignet, sondern wir haben außerdem noch die ganzen Lebensfreunde und Altgläubigen. Wir locken Einwanderer an, die auf dem Lande leben möchten. Ein schnelles Bevölkerungswachstum – oder ein langsames Wachstum, das lange anhält – würde das verfügbare Land mindern. Aber denk auch mal darüber nach, was es für eine militärische Organisation bedeuten würde.«
»Euer erfahrenstes Personal würde nicht mehr aus Al—
tersgründen dienstuntauglich werden«, sagte Esmay. »Du …
Onkel Berthol…«
»Generale gibt's im Doppelpack günstiger … Aber natürlich werden die erfahrensten Leute, die man hat – der Bursche, der immer wieder den Jeep oder die Artillerie zusammenflicken kann – nützlich bleiben und womöglich noch mehr
Sachverstand erwerben. Erfahrung zählt, und durch Verjüngung 116
kann man mehr Erfahrungen sammeln. Das ist die positive
Seite. Und die negative?«
Esmay kam sich wieder wie in der Schule vor, als würde sie gezwungen, einen Leistungstest vor der Klasse abzulegen. »Ein längeres Leben für ranghohe Offiziere bedeutet weniger
Beförderungsmöglichkeiten für die jüngeren«, antwortete sie.
»Die Karrieren würden gebremst.«
»Sie kämen ganz zum Erliegen«, versetzte der Vater ernst.
»Dafür kann ich keinen Grund erkennen.«
»Weil der Prozess wiederholbar ist. Der verjüngte General –
um mal oben anzufangen – bleibt für immer. Oh, es wird
weiterhin einzelne Beförderungsmöglichkeiten geben, denn schließlich stirbt mal jemand bei einem Unfall oder im Krieg.
Aber nicht viele. Eure Flotte wird sich in die Waffe eines expansionistischen Imperiums der Regierenden Familias
entwickeln …«
»Nein!«
»Es ist unvermeidlich, Esmaya. Falls die Verjüngung ihren Lauf nimmt…«
»Sie ist schon weit verbreitet, wie wir wissen«, warf Papa Stefan ein. »Das neue Verfahren existiert jetzt seit vierzig oder noch mehr Jahren, und man hat es an vielen Leuten ausprobiert.
Denk an deinen Biologieunterricht zurück, Mädchen: Falls eine Bevölkerung wächst, braucht sie entweder neue Ressourcen, oder sie stirbt. Veränderungen der Bevölkerungsstärke hängen von der Geburten-und der Todesrate ab; senke die Todesrate, wie es die Verjüngung tut, und du erhältst einen Bevölkerungs-zuwachs.«
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»Aber die Familias sind nicht expansionistisch eingestellt.«
»Huh«, schnaubte Berthol und lehnte sich in seinem Sessel auf die Seite. »Die Familias haben keinen großen Feldzug ausgerufen, nein, aber sieh dir mal die Entwicklung an den Grenzen über die letzten dreißig Jahre an … Ein Häppchen hier, ein Häppchen dort. Die Terraformung und Kolonisierung von Planeten, die man zuvor als ungeeignet eingestuft hatte. Die friedliche, einvernehmliche Annexion eines halben Dutzends kleiner Systeme.«
»Sie haben um Schutz durch die Flotte gebeten«, wandte
Esmay ein.
»Das haben sie.« Ihr Vater warf Berthol einen Blick zu, der Sei still nicht weniger deutlich zum Ausdruck brachte, als hätte er es laut ausgesprochen. »Worauf wir jedoch hinausmöchten, ist Folgendes: Falls die Bevölkerung der Familias weiter wächst, weil die Alten verjüngt werden – und falls die Personalstärke der Flotte aus demselben Grund weiter wächst –, dann kann dieser Druck zur Expansion führen.«
»Ich denke nicht, dass das geschieht«, sagte Esmay.
»Warum, denkst du, ist dein Kapitän zum Schwarzen Teufel übergelaufen?«
Esmay wand sich. »Ich habe keine Ahnung. Geld? Macht?«
»Verjüngung?«, lautete die Gegenfrage ihres Vaters. »Ein langes Leben und Wohlstand? Denn du weißt, ein langes Leben bedeutet Wohlstand.«
»Das sehe ich nicht so«, entgegnete Esmay und dachte dabei an ihre Urgroßmutter, deren langes Leben jetzt allmählich zu Ende ging.
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»Ein langes junges Leben. Siehst du, das ist ein weiterer Aspekt der Verjüngung, der mir Sorgen macht. Langlebigkeit belohnt Umsicht mehr als alles andere … Falls du lange genug lebst und umsichtig bist, wird es dir gut gehen. Du brauchst nur Risiken zu vermeiden.«
Esmay glaubte zu erkennen, worauf er hinauswollte, verzichtete aber lieber auf einen frontalen Gegenangriff. Jedenfalls diesem schlauen alten Soldaten gegenüber. »Und?«, fragte sie.
»Und Umsicht steht nicht sehr weit oben auf der Liste der militärischen Tugenden. Sie ist natürlich eine, aber … Wo
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