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Heldin wider Willen

Heldin wider Willen

Titel: Heldin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Moon
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der alte Sebastian hat dich nicht zu sehr ermüdet.«
    »Das hat er nicht«, sagte Esmay. »Tatsächlich habe ich ihn sehr interessant gefunden.« Sie klang für ihre eigenen Begriffe völlig ruhig, völlig vernünftig, aber ihr Vater starrte sie an.
    »Stimmt irgendwas nicht, Esmaya?«
    »Ich muss mit dir reden, Vater«, sagte sie, nach wie vor ruhig. »Vielleicht in deinem Arbeitszimmer?«
    »Was Ernstes?«, fragte er, ohne sich zu rühren. Wut stieg in ihr auf.
    »Nur, wenn du eine Frage der Familienehre für ernst hältst«, sagte sie. Die Hände des Gärtners zuckten, und die Pflanzen zitterten. Der Gärtner griff nach der Kiste mit den Übertöpfen und murmelte etwas. Esmays Vater hob das Kinn, und der Mann packte die Kiste und eilte davon, zur Hintertür des
    Wintergartens hinaus.
    »Möchtest du, dass ich gehe?«, fragte Onkel Berthol in einem Ton, als wäre er sicher, dass sie nein sagen würde.
    »Bitte«, sagte sie und stellte diesmal die eigene Kraft auf die Probe, indem sie ihrem Tonfall Biss verlieh. Berthol zuckte zusammen; sein Blick wanderte erst zu ihrem Vater und dann zu ihr.
    »Esmay, was..?«
    »Du wirst es schnell genug erfahren«, unterbrach ihn Esmay.
    »Aber zunächst würde ich gern mit Vater allein sprechen.«
    Berthol wandte sich ab. Beim Hinausgehen hielt er sich
    knapp davon zurück, die Tür zuzuknallen.
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    »Nun, Esmaya? Es war nicht nötig, grob zu werden.« Die
    Stimme des Vaters klang jedoch kraftlos, und sie glaubte, einen Unterton der Furcht herauszuhören. Die kleinen Muskeln um Augen und Nase waren gespannt; der Kontrast zwischen der gebräunten Haut und den nicht gebräunten Falten war fast nicht mehr zu sehen. Wäre er ein Pferd gewesen, hätte er jetzt die Ohren angelegt und nervös mit dem Schweif gezuckt. Er sollte eigentlich in der Lage sein, eins und eins zusammenzuzählen; sie fragte sich, ob er es fertig brachte.
    Sie ging auf ihn zu und fuhr dabei mit einer Hand durch die Wedel einer der Liebchenpalmen; es kitzelte immer noch. »Ich habe mit Seb Coron geredet – oder genauer gesagt: Er hat geredet… und ich fand es äußerst interessant.«
    »Ach ja?«
    »Du hast mich angelogen … Du hast gesagt, alles wäre
    geträumt gewesen, es wäre gar nicht passiert…«
    Einen Augenblick lang glaubte sie, er wollte so tun, als hätte er sie nicht verstanden, aber dann spülte kurz Farbe durch seine Wangen und floss wieder heraus.
    »Wir haben es dir zuliebe getan, Esmaya.« Genau das hatte sie erwartet zu hören.
    »Nein, nicht mir zuliebe. Vielleicht der Familie zuliebe, aber nicht mir.« Ihre Stimme wurde nicht unsicher, was sie ein wenig überraschte. Sie hatte beschlossen, auf jeden Fall
    weiterzumachen, selbst wenn ihr die Stimme versagte, selbst wenn sie vor ihm in Tränen ausbrach, was sie seit Jahren nicht mehr getan hatte. Warum sollte er vor ihren Tränen geschützt werden?
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    »Es ging um mehr als nur dich, das gebe ich zu.« Er blickte sie unter diesen buschigen Brauen hervor an, die inzwischen grau waren. »Es ging auch um die anderen … Es war besser, wenn nur ein einzelnes Kind diese Verwirrung durchlitt…«
    »Verwirrung? Du nennst das Verwirrung?« Ihr Körper litt unter den Schmerzen, die aus dem Gedächtnis aufstiegen, jenen ganz bestimmten Schmerzen, die ganz bestimmte Ursachen
    hatten. Sie hatte zu schreien versucht; sie hatte den Mann abzuwehren versucht; sie hatte ihn sogar zu beißen versucht.
    Die starken Erwachsenenhände, vom Krieg gehärtet, hatten sie jedoch mühelos niedergehalten und ihr blaue Flecken zugefügt.
    »Nein, nicht die Verletzungen, sondern die Unsicherheit über das, was passiert war … Du konntest uns nicht sagen, wer es gewesen war, Esmaya; du hattest ihn nicht richtig gesehen. Und man hat mir gesagt, du würdest es wieder vergessen …«
    Sie spürte, wie sich ihre Lippen von den Zähnen zurückzogen; im Gesicht ihres Vaters erkannte sie, was sie selbst für ein Gesicht machte. »Ich habe ihn gesehen«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wie er hieß, aber ich habe ihn gesehen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Damals konntest du uns keine
    Einzelheiten nennen«, sagte er. »Du warst erschöpft und
    entsetzt… Du hattest wahrscheinlich nicht mal sein Gesicht gesehen. Als Erwachsene hast du inzwischen selbst eine
    Schlacht erlebt; du weißt, wie verwirrend es ist…«
    Er zweifelte es an. Er wagte ihre Kenntnisse anzuzweifeln, sogar jetzt noch! Ein helles Band von Bildern von der Despite schlängelte sich durch ihren Verstand.

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