HelHeg-AxoRoa
runtergekurbelt, sind mit höchstens fünf km/h die Oranienburger Straße entlanggefahren und wenn jemand blöd ins Auto geguckt hat, haben wir gewunken wie dieser Scheich, wie heißt der denn noch mal?«
»Das ist aber nett von Ihnen gewesen.«
»Ja, ich meine, Heiner Müller, der sagt dir bestimmt nichts, aber in so einer Situation muss man schon mal ...« »HEINER MÜLLER?« »Heiner Müller.«
Wir fahren durch das nächtliche Mitte. Als er anhält, stelle ich fest, dass ich kein Geld mehr habe, frage, ob ich ihm meinen Personalausweis im Wagen lassen soll, er antwortet: »Nein, ich vertraue dir«, und ich renne nach oben in die dunkle Wohnung, wo ich allerdings nur einen 500-Euro-Schein finde, den er nicht wechseln kann, also fahren wir zu irgendeinem EC-Automaten, ich gebe ihm die beschissenen dreizehn Euro, und er sagt: »Steig wieder ein, vorne, ich fahre dich zurück.«
Er würdigt mich keines Blickes, bis er das Auto auf dem leeren, über eine spiralförmige Auffahrt zu erreichenden Parkplatz eines Ausstellungsraumes für Designermöbel anhält und aussteigt. Ich kurbele das Fenster runter, um ihm meine halbaufgerauchte Zigarette zu geben, mir schlägt überdurchschnittlich unangenehme Kälte entgegen. Ekel, pure Geilheit, Egoismus, die Verabschiedung aller intellektuellen Moden und der romantischen Vorstellung einer lebensspendenden Nacht.
Er zerrt meinen Kopf hoch, ich kann mich nicht daran erinnern, wie ich meine Unterwäsche losgeworden bin, habe einen dunkelroten, faltigen Schwanz im Gesicht und beobachte dessen Besitzer dabei, wie er als rhythmisch durch diese Situation fickendes Scheißtier mit seinen aufgeblähten, haarigen Eiern über alle Körperstellen herfällt, die ich vor weniger als einer Stunde als zu mir gehörend ausgemacht habe. Er steckt mir seinen Zeigefinger in den Mund und guckt, als sei er Enrique Iglesias im Musikvideo zu Heroe. Er leckt mit seiner triefenden Zunge dermaßen unzivilisiert meine Rippengegend ab, dass sein Speicheldrüsensekret literweise von meiner Haut auf die beigefarbenen Ledersitze zu tropfen scheint. Ich richte mich auf, um mein Kreuz durch- und somit den Oberkörper in sein mittlerweile vor Geilheit unkontrolliert zuckendes Gesicht zu drücken. Irgendwie gehen wir beide als völlig unabhängig voneinander existierende Individuen und trotzdem, als wären wir eins, diesen Weg weiter voran, bis wir stehen bleiben, und an diesem Punkt des Innehaltens sagt er völlig außer Atem, nachdem er versucht hat wieder irgendetwas in meinen Hals zu stecken, ich weiß nicht ob es ein von Schleimhaut überzogener Muskelkörper war oder sein Schienbein oder sein Schwanz: »Bist du Schauspielerin?« »Woher weißt du das?«
»Ich bin Radiomoderator. Du sprichst so sauber, du hast diesen Schauspielerduktus, ich wusste von Anfang an, dass du Schauspielerin bist.« »Warum fährst du Taxi?« »Meine Sendung wurde eingestellt.«
Ich beschließe dann also plötzlich, nicht mehr in Erscheinung zu treten. Ich weiß, dass er mich gnadenlos fickt, ich will dieses unanständige Wissen nicht, denn es bedeutet den Verlust meiner Sprache - ich habe in dieser Sexwelt keine Sprache. Nichts daran ist ekelhaft oder von ekstatischen Ausbrüchen durchsetzt oder abscheulich. Das Widerliche ist, dass mein Körper wiederholt kommt, im Rahmen dieser anstrengenden Prozedur drei Runden lang von starken multiplen Orgasmen geschüttelt wird. Keine sich in unwillkürlichen Muskelkontraktionen entladende sexuelle Spannung, kein Rausch und keine Befreiung. Nur eine nicht enden wollende Spirale der Überwältigung durch sich übereinanderstapelnde Gefühle, dominiert von Mitleid und den sich nach meiner traumatischen Odyssee durch die Bewusstseinserweiterung endlich wieder abzeichnenden Umrissen. Die Nüchternheit, die sich wieder einstellt. Der Gedanke an meine Großmutter, die mich anruft, um mir mitzuteilen, dass Löwenmäulchen die Lieblingsblumen ihrer Tochter waren, die tot ist, obwohl es nicht vorgesehen ist, dass ein Kind vor seinen Eltern stirbt. Überhaupt, Kinder, die sterben.Wahnsinn.
Mein Opa, der mit seinem Cordhütchen heimlich auf einen Spielplatz geht um dort mit geschlossenen Augen zu schaukeln. Das Geld, das ich gespart habe, um meinem Teddy einen kleinen Schultornister aus rotem Leder kaufen zu können.
Der Taxifahrer klettert unbeholfen über die Lehnen ans Steuer zurück und startet den Wagen. Ich fange die dritte Zigarettenschachtel an. Ich versuche herauszufinden, in welcher
Weitere Kostenlose Bücher