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Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Titel: Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Kraus
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verbreitet werden, solche Beipackeffekte. Vor allem eine Wirkung haben sie – nämlich die Entmündigung von Eltern. Sie sollten sich also unbedingt solche kognitiven Dissonanzen ersparen. Für Leon Festinger, den renommierten US-Sozialpsychologen, liegt kognitive Dissonanz dann vor, wenn Handeln und Wissen im Kontrast zueinander stehen. Dazu ein Beispiel: «Ich weiß, dass eine bestimmte Art von Erziehung nichts bringt oder gar schadet; ich handle aber weiter so.» So darf Erziehung niemals ausfallen.
    Ikonen der Erziehung als pädagogische Versager
    Das eine zum Trost: Von gar nicht so wenigen pädagogischen Säulenheiligen ist bekannt, dass sie in der Erziehung ihrer eigenen Kinder total versagten. Dies gilt zum Beispiel für Jean-Jacques Rousseau und für Johann Heinrich Pestalozzi. Beide gehören zu den innerhalb und außerhalb der Fachwelt meistzitierten Autoren der Geschichte der Pädagogik. Rousseau sah zwar in dem Kind das Kind und nicht den kleinen Erwachsenen, doch war er nicht imstande, seine theoretischen Annahmen in die Praxis umzusetzen. Seine fünf Kinder hatte er, um von ihnen bei seinen Studien nicht gestört zu werden, in einem Waisenhaus untergebracht. Bei Pestalozzi war dies ähnlich: Er vermochte nicht, seinen Sohn selbst zu erziehen, und überließ diese Aufgabe nach anfänglichem Scheitern anderen. Ähnliches gilt für Ratgeberstars wie die Schwedin Anna Wahlgren, deren Bücher sich mehr als eine Million Mal verkauft haben, deren Tochter Felicia Feldt in einem eigenen Buch aber deutlich macht, dass ihre Mutter ihre neun Kinder sich selbst überlassen habe, während sie rauchend in ihrem Arbeitszimmer ihre schlauen Manuskripte tippte. Eine Ikone wäre sie gerne geworden. Sie wurde es nicht. Genauso darf man die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Pädagogik der Super Nanny stellen: Die Diplom-Pädagogin Katharina Saalfrank war Deutschlands oberste pädagogische Ratgeberin für sieben biblische Jahre. 2004 startete der private Fernsehsender RTL für die Jahre bis 2011 mit insgesamt 145 Folgen, die immer noch online abrufbar sind, das Format «Die Super Nanny».
    RTL erreichte mit dieser wöchentlichen Dokusoap der Sparte «Reality-TV» zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr vier bis sechs Millionen Zuschauer und damit Marktanteile von 20 Prozent und mehr.
    Die Ansprüche und Versprechungen der RTL-Macher waren gigantisch: «Die Super Nanny» biete den Zuschauern die Möglichkeit, sich einzuordnen und zu orientieren, behauptete einst der RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger. Auch auf der RTL-Homepage hieß es großspurig: «Wir wollen mit diesem Format einerseits den betroffenen Familien eine Hilfestellung bieten, andererseits aber auch dem Zuschauer anhand von unterschiedlichen Fällen Lösungsansätze für Probleme in der eigenen Familie aufzeigen.» Die Botschaft sollte lauten: Ihr seid mit euren Problemen nicht allein.
    Die Sendung sollte sozusagen einen kathartischen Effekt bei den Zuschauern haben und sie beruhigen, indem sie sehen, dass andere in der Erziehung noch katastrophaler scheitern. Vielleicht war deshalb selbst der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff so begeistert von dem Format, denn er spendete indirekt seinen Segen, indem er meinte: «Es gibt mehr Sendungen darüber, wie man mit Tieren umgeht, als wie man Kinder erzieht.»
    Im Endeffekt stellten sich Problemfamilien für eine Entschädigung von 2000 Euro einem Casting, in dessen Rahmen die «Nanny» in jeder Familie sechs bis sieben Tage mit Kamerabegleitung verbrachte. Ein Bruchteil davon wurde dann am Ende gesendet. Realiter kam meist nur Biederes heraus – siehe die im November 2005 von RTL veröffentlichten «Nanny-Regeln für Eltern & Kinder zum Ausdrucken». Darunter finden sich folgende: «Kinder bleiben beim Essen am Tisch sitzen! Kein Fernsehen beim Essen! Spielzeug wird nicht kaputt gemacht! Kinder werden nicht geschlagen!»
    Es ist nicht anzunehmen, dass die Fernsehmacher von RTL das Nanny-Format deshalb in Szene gesetzt haben, um ihr eigenes schlechtes Gewissen zu beruhigen, das die Macher durchaus haben könnten, denn sie belästigen ihre Zuschauer bekanntermaßen eher nicht mit bildungs- und erziehungsfördernden Programmen.
    Wer bei dieser Sendung mitmachte – als Protagonist und als Zuschauer –, bestätigte im Grunde Richard Sennetts Buchtitel vom «Verfall und Ende des öffentlichen Lebens», vor allem den Untertitel «Die Tyrannei der Intimität». Denn die Nanny-Sendung steht

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