Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)
Angelegenheit, denn die Erziehung von Kindern kann nicht rezeptologisch auf wissenschaftliche Befunde oder subjektive Erfahrungen von Trainern reduziert werden. Sie setzt eine individuelle Beziehung zum Kind voraus, die sich nicht mit Formeln fassen lässt. Gerade wenn sich Erziehungsberatungen zu einer stark wachsenden Branche entwickeln, sollte man darauf achten, dass sich Berater nicht zwischen Eltern und Kind drängen.
Vor allem aber sind professionelle Elterntrainings geeignet, das Selbstvertrauen der Eltern noch mehr zu erschüttern. Deshalb sind viele dieser Schulungsangebote ein Affront gegen die Würde einer jeden Mutter und eines jeden Vaters, gegen die natürliche Lebensklugheit einer jeden Großmutter und eines jeden Großvaters. Statt sich vermeintlichen Profis anzuvertrauen, sollte man öfter mal die eigenen Eltern oder erfahrene Eltern des eigenen Freundes- und Bekanntenkreises um Rat fragen.
Der Versuch einer Professionalisierung der Elternschaft bringt nichts, auch wenn noch so viele schlaue Leute medienwirksam einen Elternführerschein fordern: Vertreter des Kinderschutzbundes und etliche Professoren möchten, dass die Teilnahme an solchen Kursen zur Pflicht und die Auszahlung des Kindergelds vom Besuch eines solchen Kurses abhängig gemacht werde. Die umwerfende Analogie lautet: Für das Autofahren braucht man einen Führerschein, für das Erziehen von Kindern nichts Vergleichbares. Autofahren ist ja auch so leicht definierbar, dass es einfache Verhaltensrezepte gibt – für das Kindererziehen existieren die definitiv nicht. Trotzdem kommen immer wieder Parteien und Gruppen zu Wort, die sich mit der Forderung nach einer gezielten Schulung von Eltern meinen profilieren zu müssen: Bündnis 90/Die Grünen fordern, Schulen zu «Kinder- und Familienzentren» weiterzuentwickeln, unter anderem unter Beteiligung der Volkshochschulen und im Rahmen von «Mütterkursen». Auch aus bürgerlichen Parteien kommt regelmäßig der Vorschlag, staatlicherseits etwa Gutscheine für Elternbildungskurse auszugeben, die dann bei Kirchen, Volkshochschulen und anderen Bildungsträgern eingelöst werden können.
Solch erzieherisches Outsourcing riecht sehr nach Verstaatlichung von Erziehung und nach Sozialpädagogisierung der gesamten Gesellschaft. Eltern, so sie ihre Kinder nicht seelisch oder körperlich misshandeln oder verwahrlosen lassen, brauchen keine pädagogischen Lektionen und Belehrung durch den Staat. Oder will der vermeintlich erzieherisch omnipotente Staat Eltern wie großgewordenen Kindern eine Lektion erteilen? Das kann nicht sein, denn Aufgabe des Staates ist die Bildung und das Sicherstellen eines geeigneten Rahmens, Aufgabe der Eltern die konkrete Erziehung der Kinder. In der Art, wie sie das machen, müssen Eltern frei bleiben. Aufgabe des Staates kann definitiv nicht das Erziehen von Eltern sein.
Dem Staat traut man offensichtlich alles zu, den Eltern nichts. Und der Ruf nach staatlichen Regelungen scheint gerade in Deutschland besonders laut zu sein. So lange ist es noch nicht her, dass ein SPD-Generalsekretär namens Olaf Scholz für den Staat – oder seine Partei? – die Lufthoheit über den Kinderbetten forderte. Und die vormalige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt meinte: «Viele Kinder wissen nicht, was Liebe ist. Da kann der Staat helfen.» Norbert Blüm liegt mit seiner plakativen Beschreibung also richtig, wenn er in einem FAZ -Beitrag formuliert: «Die Erziehung wird verstaatlicht, die Kindheit enteignet und die Familie sozialisiert.» Dabei ist die Frage noch nicht im entferntesten beantwortet, wer denn eigentlich darüber entscheiden soll, welche Erziehungsziele, Inhalte und Grundsätze vermittelt werden.
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Immer alles unter Kontrolle
Überbehütung wird gern als besonders verantwortungsvolles Erziehen angesehen. So, als wäre ein Kind ein total zerbrechliches Wesen. Das ist aber nicht der Fall. Deshalb ist Überbehütung bis hin zur Rundumkontrolle ein Fehler. Eltern müssen nicht wie der Riese Argus hundert Augen haben, von denen abwechselnd ein Teil schläft, ein anderer Teil wacht.
Natürlich ist es notwendig, Gartenteiche zu umzäunen, wenn man kleine Kinder hat, zuschütten muss man sie deshalb aber nicht. Und es ist auch gut, dass vieles heute TÜV-tauglich sein muss: Kinderwagen, Steckdosen, Elektrogeräte, Spielplatzgerüste. Man kann das obsessive Sicherheits- und Gesundheitsdenken aber auch übertreiben, so wie es ein Vater tat, der ohne
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