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Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Titel: Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Kraus
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keine Gleichheit. Nicht einmal Geschwister sind gleich. An der Unterschiedlichkeit und an der Vielfalt von Menschen ändern kein Schulsystem und kein noch so gestalteter Unterricht etwas (Kraus, 2011).
    Es bleibt das unüberwindbare Dilemma des pädagogischen Egalitarismus: Egalitäre Schulpolitik erzielt vermeintliche Gleichheit allenfalls durch Absenkung des Anspruchsniveaus. Wer aber die Ansprüche senkt, der bindet gerade junge Menschen aus schwierigeren Milieus darin fest. Selbst ein hochindividualisierender Unterricht zementiert Unterschiede. Denn je mehr wir die Schüler ihren individuellen Möglichkeiten entsprechend fördern, desto mehr schlagen die Gene durch – und die sind ungleich verteilt.
    Verschiedenheit ist keine Ungerechtigkeit. Vielmehr ist nichts so ungerecht wie die gleiche Behandlung Ungleicher. Gleichmacherei wäre nur gefühlte Gerechtigkeit. Dass dieser Grundsatz von vielen Eltern nicht oder anders gesehen wird, zeigen – wenn die Ergebnisse denn repräsentativ sind – die beiden bei Emnid in Auftrag gegebenen JAKO-O-Bildungsstudien der Jahre 2010 und 2012. Die 3000 Befragten nannten mit einem Anteil von 87 Prozent als Ziele der Bildungspolitik nicht etwa mit großer Mehrheit «Leistung», sondern: «Alle sollen die gleichen Bildungschancen haben.» Nur noch 28 Prozent der Eltern waren der Meinung, dass in der Schule das Leistungsprinzip eine wichtige Rolle spielen solle.
    Solche Umfrageergebnisse sind nicht verwunderlich, ist das Thema «Bildungsgerechtigkeit» den Eltern doch regelrecht oktroyiert worden. Wenn Gleichheit und/oder Gerechtigkeit diskutiert werden, dann geht oft einiges durcheinander. Der Hintergrund der Debatte um Bildungsgerechtigkeit ist tatsächlich der sozialromantisch kaschierte Versuch, über die Schule Gleichmacherei zu betreiben. Eltern sollten deshalb mitbedenken, dass die Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs mittels Bildung in Deutschland so gut wie kaum in einem anderen Land der Welt sind. Wir haben in Deutschland inklusive der Berufsschulpflicht eine zwölfjährige Schulpflicht, das ist eine große soziale Errungenschaft. Je nach Bundesland erwerben fast 50 Prozent der Studierberechtigten ihren Hochschulzugang, ohne jemals ein Gymnasium besucht zu haben. Nutznießer dieser Vielfalt an Wegen sind vor allem Kinder aus sogenannten bildungsfernen Schichten.
    Wenn gesagt wird, dass die Bildungssysteme anderer Staaten sozial durchlässiger seien als das deutsche System, dann ist das eine Legendenbildung. Schließlich haben diese Staaten oft höchste Quoten arbeitsloser Jugendlicher. Selbst der PISA-«Sieger» Finnland hat eine Quote an arbeitslosen Jugendlichen von rund 20 Prozent. Laut Abfrage bei Eurostat Ende März 2013 hatte die Jugendarbeitslosigkeit in der EU folgendes Ausmaß: Deutschland 7,9 Prozent – Österreich 8,9 Prozent – Niederlande 10,4 Prozent – Finnland 19,9 Prozent – Großbritannien 21,1 Prozent – Frankreich 26,9 Prozent – Portugal 38,6 Prozent – Italien 38,7 Prozent – Spanien 55,5 Prozent – Griechenland 58,4 Prozent. Übrigens: Die drei Länder, die nach der Primarbildung relativ früh nach verschiedenen Schulformen differenzieren, haben die niedrigsten Quoten: Deutschland, Österreich und die Niederlande. Alle anderen Länder haben Gesamtschulsysteme.
    Gewiss müssen Bildung und Bildungspolitik gerecht sein. Gerecht heißt aber nicht gleich. Der Zusammenhang von Schulleistung und sozialer Herkunft ist ansonsten weltweit keine neue Erkenntnis. Sie darf aber nicht der Grund sein, dass «progressive» Bildungspolitiker Eltern gebetsmühlenhaft ein – angeblich «gerechtes» – Gesamt- und Gemeinschaftsschulwesen anbieten möchten. Das geschieht aber, und deshalb droht aus der Gerechtigkeitsrhetorik eine Rhetorik des Klassenkampfs zu werden: Das gegliederte, differenzierte Schulwesen diene dem Zweck, eine ständische Gesellschaft zu erhalten. Am Ende läuft alles dann auf den Kernsatz der Egalisierer hinaus: Was nicht alle können, darf keiner können; was nicht alle sind, darf keiner sein; was nicht alle haben, darf keiner haben. Diejenigen, die solche Denkmuster propagieren, kommen gerne im Mäntelchen der Gerechtigkeit und der moralischen Höherwertigkeit daher (Kraus, 2009).
    Gegen das Gerede von der Ungerechtigkeit unseres Schulsystems steht erstens: Wir hatten in den vergangenen drei Jahrzehnten durch zahlreiche Schul- und Hochschulgründungen vielerlei positive Effekte, die gerade bildungsfernen Schichten

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