Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)
Enttäuschende oder angstbesetzte Situationen werden vom Menschen mit Humor anders, nämlich optimistischer bewertet.
Humor kann Ruheinsel und schöpferische Pause inmitten von Hektik und Konfusion sein, weil Humor ein gutes Ventil ist. Große Köpfe – von Aristoteles über Lessing bis Schiller – haben das mit dem griechischen Wort «Katharsis» bezeichnet. Wörtlich heißt das Reinigung oder im übertragenen Sinne die Abfuhr von Spannungen. So ist der Humor beispielsweise in der Lage, den Aggressionen, die sich nach Frustrationen angestaut haben, freien Lauf zu lassen, ohne aggressiv zu sein. Sigmund Freud, der sich mit einem eigenen Werk mit dem Witz und seiner Beziehung zum Unbewussten befasst und der einen Aufsatz mit dem Titel «Der Humor» verfasst hat, kommt zu dem Ergebnis, dass der Mensch mit seinem Lachen bei Witzen innere Spannungen auflöst. Dabei, so Freud, habe der Humor nicht nur etwas Befreiendes, sondern auch etwas Großartiges und Erhebendes. Dieses liege offenbar im Triumph des Narzissmus, in der siegreich behaupteten Unverletzlichkeit des Ichs. Moderne Psychologen formulieren das etwas komplizierter: «Humor ist ein kreatives Mittel der Kontingenzbewältigung, also des Umgangs mit Unwägbarkeiten, er ist ein Mittel zur Auflösung von Widersprüchen, auch zur Relativierung von Problemen.»
Vor allem aber hat der Humor eine wichtige soziale Funktion: Er steckt zum Lächeln an, er versöhnt, er signalisiert Friedfertigkeit, er vermittelt Wertschätzung für den Mitmenschen, zum Beispiel für das Kind oder den Schüler, er macht beliebt, er erlaubt es, Kritik freundlicher zu formulieren. Das sind die Gründe, warum Leute mit Humor beliebter und erfolgreicher sind. Ein weiterer Grund dafür dürfte zudem sein, dass Menschen mit Humor nicht ständig jammern und sich nicht ständig den Puls fühlen.
Kinder können bereits sehr früh humorvoll sein und den Witz sofort erkennen. Sie lachen gern. Mit gut einem Jahr sind sie schon in der Lage dazu. Sie lachen dann verstärkt über unstimmiges Verhalten, zum Beispiel wenn Papa oder Mama eine Maschine oder ein Tier imitiert oder über unstimmige Aussagen, zum Beispiel wenn ein Erwachsener eine Blume als einen Vogel bezeichnet. Oder sie necken ihre Eltern und Geschwister.
Dieses grandiose Potenzial, die Fähigkeit der Kinder zum Humor, wird in Familie und Schule zu wenig genutzt. Und darum ist der Humor in der wissenschaftlichen und in der praktischen Pädagogik auch zu wenig vertreten. Vielmehr geht es dort oft unglaublich humorlos zu. Offenbar befürchtet man Autorität zu verlieren, wenn sie nicht mehr ganz so todernst daherkommt wie bei PISA-Ergebnissen und Abiturienten-Quoten. Kurz: Der Humor als pädagogische Dimension wird nicht ernst genommen. So gerieten gerade ab den 1970er Jahren «Humor» und «Freude» in der Pädagogik gänzlich aus dem Blickfeld. «Spaß» machen sollte Schule durch ein möglichst anstrengungsfreies Lernen im Edutainment-Ambiente.
Beleg für diese Humorlücke ist die Tatsache, dass dazu kaum wissenschaftliches Schrifttum vorliegt. Auffindbar sind nur folgende Werke: In Otto Friedrich Bollnows «Die pädagogische Atmosphäre» (1961, 2001) findet sich ein Kapitel über die Grundhaltung des reifen Erziehers, zum Beispiel über die Grundhaltung des Humors. Außerdem in Fritz März’ «Humor in der Erziehung – Bemerkungen über eine pädagogische Rarität» von 1968 oder Walter Jahns «Am Anfang war das Lächeln – Der fast vergessene Humor in der Erziehung» von 1971. Und zuletzt: Christian Fricke: «‹Humor› in der Pädagogik – Wirkung und Stellenwert eines pädagogischen Mediums», 2006.
Ironie, Süffisanz, Sarkasmus, Zynismus, Hohn, Nihilismus und Spott – all das komme leider vor in Erziehung und Bildung. Aber all diese destruktiven Haltungen hätten dort nichts zu suchen, sie wären Ausdruck von Liebesunfähigkeit, Kälte und Schärfe. Nein, Humor sei der Gegenpol von all dem. Humor in der Erziehung habe nämlich mit Zuneigung, mit Wohlwollen, mit Wärme, mit Güte, mit Gelassenheit, mit Wertschätzung des Zöglings zu tun. Humor wolle auch nicht lächerlich machen, sondern zum Lächeln verführen und im Bedarfsfall freundschaftlich kritisieren, ohne alles auf die Goldwaage zu legen, so könnte man die Anliegen dieser Pädagogen zusammenfassen.
Otto Bollnow (1903–1991) hat in seinem 1961 erschienenen und 2001 neu aufgelegten Werk «Die pädagogische Atmosphäre» drei Grundhaltungen des reifen Erziehers
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