Hellas Channel
Fotografie, dem Datum oder in der Verbindung von beidem?
Ich kann keine Antwort finden und sehe mir die weiteren Bilder an. Auf der nächsten Fotografie sitzen die beiden mit dem abgehärmten Lächeln in einem Café. Ihr Tisch befindet sich am Fenster. Die Fotografie wurde von der Straße aus geschossen, und ich kann den Gesichtsausdruck der beiden nicht erkennen, weil sich das Licht in der Fensterscheibe spiegelt. Das Datum rechts unten zeigt den 17.11.1990. Drei Tage nach dem Abend im Diogenes treffen sich die beiden, die sich in der Herrenrunde sichtlich unwohl fühlten, getrennt von den anderen. Und wieso haben diese beiden Treffen eine solche Bedeutung, daß die Karajorgi sich die Mühe macht, sie für die Ewigkeit abzulichten?
Doch irgendwann scheint sie genug gehabt zu haben, Menschen zu fotografieren, und wendete sich fortan Fahrzeugen zu. Denn die folgenden vier Fotografien zeigen Kühlwagen und Reisebusse aus Pylarinos’ Unternehmensgruppe. Die Transporter weisen seitlich die Beschriftung Transpilar auf, mit Adresse, Telefon- und Faxnummer der Firma. Die abgebildeten Reisebusse weisen auf der linken Seite die Bezeichnung Prespes Travel auf, wieder mit Sitz, Telefon- und Faxnummer des Unternehmens. Daß sie Leute fotografierte, ist noch nachvollziehbar. Augenscheinlich hatte sie dafür ihre Gründe. Doch wozu in aller Welt lichtete sie Pylarinos’ Flotte von Transportern und Reisebussen ab? Ist mir völlig unbegreiflich.
Ich höre, wie die Tür aufgeht, und hebe meinen Blick. Sotiris stürmt voller Elan ins Büro.
»Was gibt’s?«
»Ich habe die Unterlagen an die Zoll- und die Flughafenbehörde weitergeleitet. Ich warte noch auf die Antwort. Bei der Zollbehörde hat man mir versprochen, sich telefonisch zu melden, sobald sie auf einen grünen Zweig kommen. Das Ganze ist zwei Jahre her, und die Abrechnungsbelege sind ins Archiv gewandert.«
»Was ist mit den Namen, die ich dir gegeben habe?«
»Ich konnte alle ausfindig machen. Zwei von ihnen kehrten als Leichen zurück. Fotiou ist ein halbes Jahr nach seiner Rückkehr verstorben. Die Petassi hat noch längere Zeit gelebt. Ein Jahr. Dann ist sie an Aids gestorben. Der einzige Überlebende ist Spyros Gonatas. Ich habe ihn herholen lassen, er wartet auf Sie. Ich dachte, es wäre besser, wenn er mit Ihnen persönlich spricht.«
Von den fünf Personen auf Karajorgis Liste sind vier bereits tot. Das fängt ja gut an. »Bring ihn herein«, sage ich ungeduldig zu Sotiris.
Ich öffne die Schreibtischschublade und ziehe Karajorgis Aktenordner heraus. Ich werfe einen Blick auf das Namenregister. Gonatas war mit einem Reisebus am 15.3.1992 nach Budapest gereist.
Die Tür geht auf, und Sotiris schiebt ein Ehepaar herein. »Herr und Frau Gonatas«, sagt er zu mir, während er ihnen bedeutet, Platz zu nehmen.
Gonatas ist um die Sechzig, kahlköpfig, mit schütterem Haarwuchs an den Schläfen. Sein Jackett weist einen anderen Farbton als seine Hose auf. Er begeht zwar nicht die Geschmacklosigkeit, im Trainingsanzug zu erscheinen, doch trägt er die obere und untere Hälfte zweier unterschiedlicher Herrenanzüge. Sein Pullover hat einen so knappen Ausschnitt, daß er gerade mal für den Krawattenknopf Platz läßt. Die Frau in seiner Begleitung ist ein wenig jünger als er. Sie trägt einen gutsitzenden grauen Mantel. Ihr Haar ist tiefschwarz und von vereinzelten weißen Strähnen durchzogen. Zwei einfache Menschen sitzen mir gegenüber, voll Bangigkeit und Unrast.
Ich komme ihnen auf die sanfte Tour, um sie zu beruhigen. »Machen Sie sich keine Sorgen, es handelt sich um keine schwerwiegende Sache«, sage ich zu ihnen. »Wir möchten Ihnen nur einige Fragen stellen.« Ich sehe, wie sie aufatmen. Genau in diesem Augenblick schellt das Telefon.
»Charitos.«
»Hier Charitos Junior«, höre ich Katerinas Stimme sagen, die jedesmal über ihren Scherz lacht.
»Hallo, wie geht’s?«
Sie schließt sofort vom Ausdruck meiner Stimme, daß ich nicht alleine bin, denn üblicherweise begrüße ich sie überschwenglich. »Hast du jemanden im Büro?« fragt sie mich.
»Ja.«
»Na gut, dann halte ich dich nicht länger auf. Ich wollte dir nur sagen, daß du der liebste Papa auf der ganzen Welt bist.«
»Warum denn?« frage ich tölpelhaft, während sich ein Grinsen auf meinem Gesicht breitmacht, von einem Ohr zum anderen.
»Du weißt schon, warum. Weil du mir Mama zu den Feiertagen herschickst.«
»Freust du dich?«
»Ja, aber die Freude ist nur halb so
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