Hellas Channel
geradewegs zu Gikas. Warte ich noch länger, mache ich die Sache wahrscheinlich noch schlimmer. Er hört mir zu, ohne mich zu unterbrechen.
»Sind Sie sicher, daß die Journalisten das Hotel betreten haben, ohne uns zu benachrichtigen?« fragt er mich schließlich.
»Ja. Sie haben weder uns noch die zuständige Polizeidienststelle informiert.«
»Gibt es Zeugen, die das bestätigen können?«
»Den Hotelier, der die Polizei gerufen hat. Und die Polizeibeamten, die sie dann dort angetroffen haben.«
»Es war goldrichtig, daß Sie ihn frei abziehen ließen«, meint er zufrieden zu mir. »Jetzt werden sie nicht wagen, Kolakoglou noch einmal zu erwähnen. Er ist uns ihretwegen durch die Lappen gegangen.« Er blickt mich an und lächelt. »Gestern waren Sie überrascht, als ich Delopoulos sofort in Kenntnis setzte. Er griff die Information auf, mit der Absicht, hinter unserem Rücken zu handeln, und er hat absoluten Mist gebaut. So sieht es nämlich aus, wenn man sich aus verzwickten Situationen herausmanövriert: Man spielt Katz und Maus, legt einen Köder aus, und in dem Augenblick, wenn die Maus hineinbeißt, schnappt die Falle zu.«
Ich grinse, während ich gleichzeitig denke, daß es ein Glück wäre, wenn Gikas noch ein paar Jahre auf diesem Posten bliebe. Von seinen Tricks könnte ich mir eine Scheibe abschneiden und würde sicherlich befördert.
»Heute haben wir zuerst die angenehmen Neuigkeiten ausgetauscht, jetzt folgen die unangenehmen«, meint er. »Ich habe das graphologische Gutachten erhalten. Ein Riesenreinfall. Es ist nicht Petratos’ Handschrift.«
Einerseits kommt mir das äußerst ungelegen, andererseits bin ich heilfroh, daß mich mein Spürsinn nicht verlassen und ich mich bezüglich Petratos bedeckt gehalten habe. »Ich sagte Ihnen gestern schon, daß das ohnehin nicht besonders aussagekräftig ist.« Und ich berichte ihm über Petratos’ Renegade.
Das negative graphologische Gutachten bringt uns in eine vertrackte Lage, und Gikas versucht abzuwägen, wie er sich dazu stellen soll. »Überlassen Sie die Sache mir«, meint er schließlich. »Ich werde mich darum kümmern und gebe Ihnen Bescheid. Sehen Sie in der Zwischenzeit zu, etwas über Pylarinos herauszubekommen.«
»Ich gehe wie auf Eiern, deswegen komme ich kaum vom Fleck«, sage ich zu ihm, um ihm zu verstehen zu geben, daß ich seinen Rat befolge. »In ein paar Tagen werde ich mehr sagen können.«
Es überrascht mich nicht im geringsten, daß die übliche Meute vom Korridor verschwunden ist. Jetzt sitzen sie alle in ihren Studios, schneiden ihre Video- und Audiokassetten zurecht, um mit der großen Neuigkeit aufzuwarten. Alle warten sie mit haargenau derselben Nachricht auf und alle höchstexklusiv, versteht sich.
Auf meinem Schreibtisch finde ich die Fotografien von Karajorgis Film vor. Ich greife mir die oberste und betrachte sie.
Pylarinos streckt mir lachend sein Glas entgegen, als wollte er mit mir anstoßen. Kein Wunder, daß er in Hochstimmung ist, denn er amüsiert sich mit drei anderen in einem Nachtlokal. Bei zweien von ihnen sieht man schon von weitem, daß sie Ausländer sind, Deutsche, Belgier, Holländer, keine Ahnung – jedenfalls sehen sie wie Mitteleuropäer aus. Der dritte ist spindeldürr und macht einen verhärmten Eindruck. Er trägt eine Brille mit Goldrand und einen dunklen Anzug, seine Haare sind nach hinten frisiert und scheinen an seinem Kopf zu kleben. Er sieht nicht nach einem Geschäftsmann aus, eher nach einem Staatssekretär oder dem Leiter einer öffentlichen Einrichtung. Während Pylarinos und sein Nachbar unbekümmert lachen, spielt um seinen Mund ein pflichtschuldiges Lächeln, das er sich mühsam abpreßt. Sein Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor, doch ich kann mich nicht erinnern, wo ich es gesehen habe. Neben ihm sitzt das letzte Mitglied der Herrenrunde. Es handelt sich um einen kräftig gebauten, mondgesichtigen Mann mit prallen Wangen. Seine Haare sind von hinten nach vorne frisiert und bilden Stirnfransen. Man hat die beiden, wie es scheint, nebeneinandergesetzt, weil sie das gleiche Lächeln haben. Ich gehe jede Wette ein, daß sie sich ganz und gar nicht prächtig unterhalten. Unten rechts führt die Kamera das Datum an: 14.11.1990. Na gut, am 14.11.1990 amüsierten sich vier Herren im Nachtlokal Diogenes. Einer von ihnen war Pylarinos, der zweite kommt mir bekannt vor, und die anderen beiden sind Ausländer und mir völlig unbekannt. Wo liegt nun der Hase im Pfeffer? In der
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