Hellas Channel
auch weil ich sah, wie sie ihr Geld mit vollen Händen ausgab. Aber meine Schwester war immer schon sehr eigenwillig.«
»Hat Ihre Schwester, abgesehen von dieser Reise, sich in irgendeiner Weise auf Pylarinos bezogen?«
»Nein, niemals. Ich weiß nur, daß sie nach unserer gemeinsamen Reise noch zwei weitere Male eine Städtetour unternommen hat.«
»Wann genau?«
»Die erste im darauffolgenden Winter. Im Februar, glaube ich. Und die zweite Mitte Mai. Ich kann aber nicht sagen, ob sie auch diese Fahrten über Pylarinos’ Reisebüro gebucht hat.«
»Ist auf Ihrer gemeinsamen Reise irgend etwas Ungewöhnliches vorgefallen?«
»Was verstehen Sie darunter?«
»Irgend etwas, das Ihre Aufmerksamkeit erregt hat.«
»Nein, absolut nichts. Wir verbrachten den ganzen Urlaub zusammen und hatten eine schöne Zeit.« Sie hält inne, als sei ihr noch etwas eingefallen. »Nur an zwei Vormittagen in Prag waren wir nicht zusammen, weil sie etwas zu erledigen hatte.«
»Was denn?«
»Keine Ahnung. Sie hat nicht darüber gesprochen.«
»Und auch Pylarinos hat sie in keinerlei Zusammenhang erwähnt.«
»Nein, nie.«
»Gut, Frau Antonakaki. Das war’s schon.«
Während ich den Motor des Mirafiori zünde, grüble ich darüber nach, ob ich den Ordner mit Karajorgis Abrechnungen nochmals durchsuchen sollte. Um nachzusehen, ob sie Hinweise auf diese Reisen enthalten. Es ist nicht auszuschließen, daß sie auf der ersten Reise rein zufällig auf ein Verdachtsmoment gestoßen war, dem sie weiter nachgehen wollte. Im November ’90 erregte Pylarinos’ Beziehung zu den beiden auf der Fotografie abgebildeten Ausländern ihre Aufmerksamkeit. Und möglicherweise unternahm sie die zwei weiteren Fahrten, um ihre Informationslücken aufzufüllen. Der Schlüssel zu dieser Angelegenheit liegt bei der Dourou. Wenn ich sie aufstöbere, kann ich auch mit Pylarinos’ Demontage beginnen.
Im Wohnzimmer läuft der Fernseher und zeigt ein verfremdetes Gesicht. Dahinter verbirgt sich eine piepsige Kleinmädchenstimme. Sie stößt wirre, stockende, abgehackte Wörter hervor, und es scheint, als müsse jemand diese Wörter erst zu einer sinnvollen Aussage zusammensetzen.
»Er kaufte mir Kleider …«
»Was für Kleider?«
»Blusen … Röckchen …«
»Und dann?«
»Nahm er mich mit zu sich nach Hause …«
»Und was habt ihr dort getan?«
»Er hat mir die neuen Kleider angezogen …«
»Und sonst hat er nichts mit dir getan?«
»Er hat mich angesehen.«
»Und sonst nichts?«
»Er sagte zu mir, daß ich ein hübsches Mädchen sei … Er streichelte mich …«
»Wo streichelte er dich?«
»Mein Haar … Meine Hände … Manchmal meine Beine … Nicht immer …«
»Und weiter nichts?«
»Weiter nichts.«
Das verfremdete Gesicht verschwindet, und auf der Bildfläche erscheint Sotiropoulos’ Pokerface, verschlossen und ausdruckslos. Nur seine Augen glänzen wie zwei Glühwürmchen hinter der runden Brille.
»Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Mensch wurde zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, einzig und allein aufgrund einer journalistischen Recherche und der Anschuldigungen seitens zweier Elternpaare«, sagt er mit einem Gesichtsausdruck, der einen gewaltigen Justizirrtum aufzudecken verspricht. »Ich behaupte nicht, daß er zu Unrecht verurteilt wurde, doch läßt die Anklage der Unzucht mit Minderjährigen sicherlich viele Fragezeichen im Raum stehen. Wie auch die Tatsache, daß Kolakoglous Steuerberatungskanzlei schließlich in die Hände der Eltern der beiden Opfer überging. Wir wissen nicht, ob das irgend etwas zu bedeuten hat. Möglicherweise ja, möglicherweise auch nicht. Jedenfalls ist Kolakoglou auch heute ein Gejagter. Soviel ist sicher: Wenn er nicht mit seiner Verurteilung vorbelastet wäre, würde niemand auf ihn Jagd machen.« Er macht eine kurze Pause und setzt bedeutungsschwanger hinzu. »Wir Journalisten befleißigen uns des öfteren eines übertriebenen Eifers, ohne jedoch die Folgen einzukalkulieren.«
Von Robespierre bekommen alle ausnahmslos ihr Fett ab. Adriani hält es nicht mehr aus und drückt auf die Fernbedienung. »Will er Kolakoglou als Unschuldslamm darstellen? Worauf will er bloß hinaus?« fragt sie mich empört.
»Nein. Er will Petratos und den Konkurrenzsender als böse Buben hinstellen.«
»Das ist doch keine Art!«
Ich ziehe es vor, das Gesprächsthema zu wechseln. Ich habe keine Lust, mich auch zu Hause noch über Kolakoglou, Petratos oder Sotiropoulos zu unterhalten. »Ich habe
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