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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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weiß ich auch nicht. Die Wirtschaftsangelegenheiten der Parteien lagen in den Händen eines sehr kleinen Klüngels. Selbst die Parteibonzen wußten oft nicht, was ablief. Jedenfalls: Kommt es dir nicht seltsam vor, daß der Sohn in Griechenland ein enormes Vermögen erwirtschaftet und die Mutter in Prag von ihrer schmalen Rente lebt?«
    Das kommt mir nicht nur seltsam vor. Das springt ins Auge. Sissis schüttelt mit stiller Resignation den Kopf.
    »Ein raffiniertes Kontrollsystem, gegenseitige Überwachung und volle Ausschöpfung des Parteiapparats. Sie hatten an alles gedacht. Nur eine Möglichkeit hatten sie nicht in Betracht gezogen. Daß all das ’89 wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen würde. Und mit einem Schlag findet sich Pylarinos mit einem beträchtlichen Vermögen wieder, das ihm ganz allein gehört. Die Kommunistische Partei der damaligen Tschechoslowakei wurde aufgelöst, die Funktionäre in alle Winde verstreut, und die neuen Machthaber besaßen keinerlei Hinweis darauf, wie sie auf diese Besitztümer Anspruch erheben könnten. Aller Wahrscheinlichkeit nach wußten sie nicht einmal von ihrer Existenz.«
    »Und mit einem Mal wird Pylarinos vom Strohmann zum Geschäftsmann.«
    »Korrekt.« Er beugt sich vor und dämpft seine Stimme. »Pylarinos ist für viele ein rotes Tuch. Er hat sich fremdes Geld unrechtmäßig angeeignet, und zwar eine gewaltige Summe. Nicht nur mir steigt da Ekel hoch, auch die Parteisoldaten sind angewidert. Sie würden ihn liebend gerne im Gefängnis verrotten sehen, doch wenn sie ihn demaskieren, dann kommen auch andere Dinge ans Tageslicht. Ich sage dir all das, damit du verstehst, daß ihm keiner Sympathie entgegenbringt.«
    Er ändert seine Haltung. Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück, richtet seinen Blick auf mich und meint im Brustton der Überzeugung: »Ausgeschlossen aber, daß er in schmutzige Geschäfte verwickelt ist.«
    »Wieso?«
    »Denk ein bißchen nach. Solange das sozialistische Regime in der Tschechoslowakei am Ruder war, wagte er keinen Mucks. Man hätte ihn kaltgemacht. Jetzt hat er ein riesiges Vermögen. Wozu sollte er sich die Hände schmutzig machen?«
    »Hör zu, Lambros. Die Karajorgi war zwar sehr ehrgeizig, aber nicht auf den Kopf gefallen. Sie hatte eine umfangreiche Akte über ihn angelegt, für die wir ein Jahr lang Hinweise zusammentragen müßten. Wenn sie derartig gründlich recherchierte, mußte sie auf irgend etwas Verdächtiges gestoßen sein.«
    »Bist du sicher, daß sie Pylarinos nachspürte und nicht jemand anderem aus seinem Unternehmen?«
    Schlagartig treten mir die von Karajorgi geschossenen Fotografien vor Augen. Jene mit der Herrenrunde im Nachtlokal und die andere mit den beiden, die sich in dem Café unterhalten.
    »Fahren wir ein wenig spazieren?« frage ich Sissis.
    »Wohin denn?«
    »Zu meinem Büro. Ich möchte dir etwas zeigen.«
    »Kommt gar nicht in die Tüte«, meint er, als hätte ihn eine Viper gebissen. »In das Polizeipräsidium setze ich keinen Fuß. Ich hätte beinahe meine Rente aufs Spiel gesetzt, weil ich mich drei Monate lang nicht durchringen konnte, bei deinen Leuten vorbeizuschauen und mir eine Bescheinigung ausstellen zu lassen. Ich helfe dir ja gerne, aber es gibt Grenzen.«
    »Treffen wir uns in der Mitte?« sage ich lachend. »Ich fahre bis zum Eingang. Du bleibst im Wagen sitzen, und ich gehe schnell hoch, um etwas zu holen, das ich dir gerne zeigen möchte.«
    »Wenn ich im Wagen bleiben kann, ist es in Ordnung«, meint er und erhebt sich sofort.
    Es ist nach elf Uhr, und der Verkehr auf den Straßen hat nachgelassen. Hinter dem Amerika-Platz, wo die Patission-Straße breiter wird, hält uns fast keine einzige Ampel auf, und in zwanzig Minuten sind wir beim Präsidium angelangt. Während der Fahrt unterhalten wir uns über ganz andere Dinge. Er erkundigt sich nach Katerina und wie es mit ihrem Studium vorangehe. Er hat sie niemals kennengelernt, doch er weiß, daß sie in Thessaloniki studiert. Ich fange an, ihm mein Herz darüber auszuschütten, daß sie zu Weihnachten nicht nach Hause kommen wird. Und fast gegen meinen Willen verspritze ich mein ganzes Gift gegen den infantilen Kleiderschrank. Sissis hört mir zu, ohne mich zu unterbrechen. Er begreift, daß es mir wohltut, mich auszusprechen und meinem Ärger freien Lauf zu lassen.
    Er bleibt im Mirafiori sitzen, während ich in mein Büro hochlaufe und die beiden Fotografien der Karajorgi hole. Ich zeige ihm zuerst diejenige aus dem

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