Hellas Channel
Nachtlokal.
»Das ist Sovatzis«, sagt er, sobald er sie in die Finger bekommt, und deutet auf den Typen mit dem streng zurückgekämmten Haar und dem gepreßten Lächeln.
»Wer ist denn Sovatzis?«
»Das Parteimitglied, das sie Pylarinos’ zur Beaufsichtigung an die Seite stellten.«
»Und die anderen beiden?«
»Sind sicher Ausländer. Der eine ist mir gänzlich unbekannt. Der andere neben Pylarinos sagt mir etwas, doch ich kann mich nicht erinnern, wo ich ihn schon einmal gesehen habe.« Und sein Zeigefinger bleibt nicht beim Mondgesicht mit den Stirnfransen hängen, sondern beim anderen, der neben Pylarinos sitzt. Plötzlich schreckt er aus dem Sitz hoch. »Na klar!« stößt er außer sich vor Begeisterung hervor, »das ist Alois Haçek! Einer der führenden Bonzen der tschechoslowakischen KP ! Da muß man nicht lange nachdenken. Er war der Wirtschaftssprecher der Partei und kam nach Griechenland, um Pylarinos zu überwachen.« Ich deute auf das Datum unten rechts. Er hält verdutzt inne. »Vierzehnter November ’90«, murmelt er wie zu sich selbst. »Die Partei ist aufgelöst, und er unternimmt eine kleine Vergnügungsreise nach Griechenland?«
Ich ziehe die andere Fotografie hervor, diejenige mit den beiden in dem Café. Er sieht sich das Datum an: 17.11.90. Er legt die beiden Fotografien nebeneinander. Ich halte mich zurück und überlasse ihn in aller Ruhe seinen Gedanken. Er schüttelt den Kopf und stöhnt auf.
»Möchtest du wissen, was an diesen beiden Tagen in Athen los war?« fragt er mich. »Ich kann es dir sagen, und ich glaube nicht, daß ich mich sehr verschätze.« Er pausiert, um seine Gedanken zu ordnen, und fährt dann fort. »Ende ’89, als die sozialistischen Machtapparate zusammenbrechen, verlieren die Parteibonzen alle ihre Vorrechte. Und das Volk reibt sich die Hände: All die schönen Funktionärsposten, die Datschen, die Staatskarossen gehen flöten, und alle sind sie arbeitslos. Nur, daß es in Wirklichkeit nicht ganz so ist. Denn diese Leute hatten über vierzig Jahre lang die Macht in ihren Händen konzentriert. Sie sind die einzigen, die etwas von Administration verstehen, die einzigen, die mit der übrigen Welt Beziehungen, Kontakte, Verbindungen hatten. Und die setzen sie jetzt ein. Aus Parteifunktionären werden Unternehmer. Vorher sprachen sie von Politik, nun sprechen sie von Business. Alois Haçek zählt zu dieser Kategorie. Augenscheinlich verfügte er über Hinweise, daß Pylarinos von der tschechoslowakischen KP finanziert wurde. Im November ’90 kommt er nach Athen und sucht Pylarinos auf. ›Was ist dir lieber?‹ sagt er zu ihm. ›Ich leite die Hinweise, über die ich verfüge, an die neue Regierung weiter, damit sie Ansprüche auf dein Unternehmen anmelden kann, oder ich werde dein Teilhaber.‹ Was hättest du an Pylarinos’ Stelle getan? Hundertmal hättest du vorgezogen, einen Teilhaber in Kauf zu nehmen als alles zu verlieren.«
Mein Blick wandert zu den beiden Fotografien, die auf der Ablage der Windschutzscheibe liegen. Pylarinos sieht mich mit erhobenem Glas an. Natürlich trinkt er nicht auf mein Wohl, sondern auf seine Zusammenarbeit mit Haçek, und wünscht ihnen beiden geschäftlichen Erfolg.
»Die Sache hat aber einen Haken.« Sissis’ Stimme bringt mich in die Gegenwart zurück.
»Und zwar?«
»Die anderen beiden. Ich hatte dir schon gesagt, daß der Parteiapparat auf gegenseitiger Bespitzelung fußte. So wie Sovatzis Pylarinos überwachte, kontrollierte der andere, der neben ihm saß, wiederum Haçek. Diese Funktionäre der mittleren Führungsebene zahlten auf der ganzen Linie drauf. Keiner brauchte sie mehr, und sie blieben auf der Strecke. Nur mit Sovatzis und dem anderen lagen die Dinge nicht so einfach, da sie zu viel wußten. Was sollten nun Pylarinos und Haçek tun? Man warf ihnen ein paar müde Brosamen hin, damit sie ihren Mund hielten. Leicht auszumalen, daß die anderen beiden damit nicht sonderlich zufrieden waren. Schau dir nur ihr Lächeln an, das sagt alles. Ein Leben lang waren sie Wasserträger gewesen, und nun sitzen die anderen an der reichgedeckten Tafel, und sie selbst sollen mit ein paar Krümel abgespeist werden. Also beschließen sie, ihr eigenes Spiel zu spielen. Drei Tage später treffen sie sich, um zu beratschlagen. Das ist die Aussage der zweiten Fotografie.«
»Und was für ein Spiel?«
»Woher soll ich das wissen? Es ist dein Job, das herauszufinden.«
Ich sehe mir die beiden Typen an, die dicht
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