Hellas Channel
wo er sein Büro verläßt, um einem Verhör beizuwohnen. Mit der offensichtlichen Motivation, dessen Bedeutung zu unterstreichen.
»Halten Sie uns denn für Volltrottel, Frau Dourou?« fragt Gikas sie ganz sanft. »Nehmen wir mal an, die Eltern vertrauen Ihnen ihre Kinder an und verreisen. Mit wem haben Sie Kontakt aufgenommen, wenn die Kinder irgend etwas benötigten? Wen haben Sie verständigt, wenn eines von ihnen erkrankte?«
»Ich hatte einen Kinderarzt, der regelmäßig vorbeikam und sie untersuchte. Und wenn es etwas Ernstes war, dann brachte ich sie ins Krankenhaus. Ich habe die ganze Verantwortung übernommen, und die Eltern brauchten sich keine Gedanken zu machen.«
»Und wie erklären Sie uns die Tatsache, daß ausnahmslos alle Albanerkinder sind und nicht ein einziges Griechenkind darunter ist? Halten Sie uns nicht zum besten, Frau Dourou! Diese Kinder sind illegal nach Griechenland geschleust worden!« Wie gewöhnlich übernehme ich die Rolle des bösen Buben.
Sie zuckt die Schultern, als beträfe sie die ganze Angelegenheit nicht. »Weiß ich doch nicht, wie all diese Albaner oder Bulgaren nach Griechenland einreisen, und es interessiert mich auch nicht die Bohne. Was mich betrifft, kann ich Ihnen versichern, daß ich die Kinder von ihren Eltern entgegengenommen habe.«
»In Ordnung, Frau Dourou«, wirft Gikas wieder auf seine liebliche Tour ein. »Geben Sie uns die Adressen der Eltern, damit wir Ihre Angaben gegenprüfen können, und dann können Sie nach Hause gehen.«
Innerlich verleihe ich Gikas gerade den Hosenbandorden. Er hat ihr indirekt zu verstehen gegeben, daß wir sie nicht freilassen, bevor sie uns nicht ihre Informationen preisgibt. Es scheint, daß diese Botschaft bei der Dourou angekommen ist, denn ich bemerke, wie sie ins Stocken gerät.
»Adressen habe ich keine, doch ich kann Ihnen eine Telefonnummer geben.«
»Eine?« frage ich spöttisch. »Warum denn das? Haben alle Kinder dieselben Eltern, oder stammen sie alle vielleicht gar aus ein- und demselben Turn- oder Gesangsverein?«
Sie merkt, daß sie langsam an Boden verliert, und achtet bei ihrem Rückzugsgefecht, daß sie nicht aus Unachtsamkeit stolpert. »Hören Sie zu. Es gibt eine einzige Telefonnummer, die ich Ihnen geben kann, von Leuten in Tirana. Es sind Albaner, die keine Möglichkeit sehen, ihre Kinder in Albanien großzuziehen. Es gibt dort keine ärztliche Versorgung, keine Medikamente, keine kindgerechten Nahrungsmittel, einfach nichts. Sie haben sie also nach Griechenland gebracht und mir zur Betreuung rund um die Uhr übergeben. Die Eltern kommen alle zwei bis drei Monate zu Besuch und kehren dann wieder nach Albanien zurück.«
Mir geht wieder der Hut hoch. »Sie lügen das Blaue vom Himmel herunter, und das wird Ihnen nicht bekommen. Sie kaufen die Kinder ihren Eltern ab, bringen sie illegal nach Griechenland und verkaufen Sie an Adoptiveltern. Sie haben ein ganzes Kinderhandelsunternehmen aufgezogen.«
»Was soll denn das schon wieder heißen?« ruft sie erbost. »Ich bin diplomierte Kindergärtnerin. Mein Kindergarten ist ganz legal vom Sozialamt konzessioniert. Und Sie wollen behaupten, daß ich Kinderhandel treibe? Was wird Ihre krankhafte Phantasie denn noch alles ausbrüten?«
»Was haben Sie aber in Ihrer Eigenschaft als Diplomkindergärtnerin mit Nierentransplantationen zu tun?« fragt Gikas.
Offensichtlich trifft sie die Frage nicht ganz unvorbereitet, denn sie hebt gleichgültig die Schultern und entgegnet postwendend: »Ich habe viel mit Ärzten zu tun, und die haben mir vorgeschlagen, ich sollte ihnen Transplantationspatienten aus Griechenland vermitteln.«
»Was für Ärzte waren das?«
»Ausländer … Tschechen … Polen … Ungarn … Ich habe in diesen Ländern viele Bekannte. Verbietet denn irgendein Gesetz den Patienten, im Ausland Hilfe zu suchen?« Es gibt freilich kein solches Gesetz, und das weiß sie auch. Wir können auch nicht nachweisen, ob die Organe irgendwelchen verkrachten balkanischen Existenzen abgeluchst wurden.
Ich wechsle mich mit Gikas im Fragen ab. »Welche Beziehung haben Sie zu Ramis Shehi?«
Die einzige brauchbare Information, die ich der Haushaltshilfe entlocken konnte, betrifft Ramis Shehi. Das abgeschlachtete albanische Ehepaar war ihr unbekannt. Als ich aber Shehis Fotografie zeigte, erkannte sie ihn sofort wieder. Er war während ihrer Anwesenheit nie im Kindergarten aufgetaucht. Doch an einem ihrer freien Nachmittage kehrte sie unvorhergesehen dorthin
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