Hellas Channel
»Was würden wir nur ohne Sie tun? Sie haben die Zügel fest in der Hand!«
»Wissen Sie, wann ich gestern nach Hause gegangen bin? Um neun!«
»Soll ich ihn um Ihre Versetzung in meine Abteilung ersuchen? Zum Tausch kann er gleich zehn meiner Leute haben. Denn Sie sind so viel wert wie zehn von ihnen.«
»Er wird mich nicht fortlassen«, antwortet sie und lacht geschmeichelt.
»Freilich läßt er Sie nicht gehen. Er ist ja nicht verrückt. Wo findet er denn eine andere Mitarbeiterin mit solch einer Auffassungsgabe?« Sie zerfließt vor lauter Befriedigung. Ich beuge mich über den Schreibtisch, senke meine Stimme und flüstere verschwörerisch: »Fräulein Koula, kann ich Sie um einen Gefallen bitten?«
»Na klar«, sagt sie schnell. Ich habe sie derartig eingewickelt, daß sie mir keine Bitte abschlagen kann.
»Ich brauche noch einmal meinen Bericht, den ich Ihnen heute morgen gebracht habe. Ich muß noch etwas ergänzen, aber ich möchte nicht, daß er etwas merkt.«
»Er liegt noch immer auf seinem Schreibtisch. Ich bringe ihn mit ein paar anderen Unterlagen wieder heraus. Er wird nichts merken.«
»Er darf nur nicht danach verlangen, solange ich ihn noch nicht wieder zurückgegeben habe.«
»Dann sage ich ihm, daß er gerade beim Fotokopieren ist, und rufe Sie an, damit Sie ihn mir schnell vorbeibringen.« Sie lächelt mir listig zu und betritt das Büro.
Das kommt dabei heraus, wenn der Hirtenhund mit der Gans paktiert, sage ich mir. Eine Minute später kommt sie mit einem Stapel Papiere wieder heraus, den sie auf der flachen Hand balanciert. Mit der anderen Hand durchsucht sie ihn, findet den Bericht und überreicht ihn mir.
»Sie sind ein Schatz«, sage ich begeistert.
Ich habe nicht die Nerven, auf den Fahrstuhl zu warten, und nehme die Treppe. »Ich habe alle Hände voll zu tun und bin für niemanden zu sprechen«, rufe ich Thanassis zu und schließe mich in meinem Büro ein.
Ich setze mich hin und blättere den Bericht durch. Zu meinem Glück hat er ihn, allem Anschein nach, noch nicht gelesen, denn ich finde keinerlei Anmerkungen. Er hat nur die Zusammenfassung gelesen, um sie auswendig zu lernen und den Reportern aufzusagen. Den Bericht hat er sich wie gewöhnlich für später aufgehoben. Ich lese zu Ende und stelle fest, daß mir das Glück heute hold bleibt. Auf der letzten Seite fand nur ein Rattenschwanz von fünf Zeilen Platz. Mit Leichtigkeit kann ich sie neu abfassen und die Informationen, die ich gerade erst in Erfahrung gebracht habe, einarbeiten. Freilich laufe ich Gefahr, daß er mich fragt, warum ich denn die Fünfhunderttausend in der Zusammenfassung nicht erwähnt habe. Dann erkläre ich ihm, daß ich ihm gerade deshalb den ausführlichen Bericht mitgeschickt hätte, damit er dort die Einzelheiten nachlesen könne. Und er ärgert sich grün und blau, daß er ihn sich nicht rechtzeitig angeschaut hat. So heimse ich auch noch Pluspunkte ein. Denn eine der Neuheiten, die Gikas vom FBI mitgebracht hat, ist das Punktesystem. Wenn du einen Fall aufklärst, erhältst du Pluspunkte. Wenn du Mist baust, Minuspunkte. Alle Punkte werden in den Personalakten registriert. Und wenn der Personalrat tagt, um über Beförderungen zu entscheiden, dann zieht er die Personalakten heran und wägt die Plus- gegen die Minuspunkte ab. Zu guter Letzt besetzt die Regierung die Stellen mit ihren Parteigängern, und du bleibst auf demselben Posten und deinen ganzen schönen Punkten sitzen.
Ich fange an, die letzte Seite in fieberhafter Eile noch einmal zu schreiben. Doch plötzlich bleibe ich stecken, denn in meinem Hirn beginnt es zu rumoren. Die Alte hatte erwähnt, die junge Frau habe ein Bündel in ihren Armen gehalten. Das bedeutet, es konnte nicht übermäßig groß gewesen sein. Was befand sich bloß darin? Kleidung? Wir hatten doch keinerlei Kleidung gefun den. Schmuck, Goldketten, antike Raubstücke? Höchstwahrscheinlich. Wie wären diese eingewanderten Vagabunden sonst an fünfhunderttausend gekommen? Entweder waren sie selbst in Raubüberfälle verwickelt, oder sie fungierten als Hehler und steckten eine Provision ein. Und der Verschlag in der armseligen Gasse diente ihnen als Unterschlupf. Sie blieben dort nur bis zum Zeitpunkt der Übergabe der Ware und des Geldes. Danach wechselten sie den Standort. Diese These hatte den Vorteil, daß sie den Albaner außer acht ließ. Denn hätte er sie wegen des Diebesguts getötet, dann hätte er natürlich das Geld nicht in den Spülkasten gesteckt.
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