Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
Vom Netzwerk:
den Bullen antreffe, sondern einen anderen fiesen Typ, der seiner Stieftochter nachstellt. Ich stehe hinter ihrem Sessel, und sie nimmt mich wie jeden Abend nicht wahr, beziehungsweise sie schenkt mir keinerlei Beachtung. Ich ziehe das vorbereitete Bündel von fünfunddreißigtausend Drachmen aus der Tasche und lasse es kommentarlos in ihren Schoß rieseln. Sie schreckt hoch, weil sie von der Szene zwischen Tochter und Stiefvater vollkommen fasziniert ist. Während sie ihn beschimpft und er Süßholz raspelt, der Masochist, löst Adriani ihren Blick nur einen Wimpernschlag lang vom Bildschirm und blickt in ihren Schoß. Blitzschnell ergreift ihre linke Hand die Fünftausenderscheine, die rechte Hand läßt die Fernbedienung los, sie springt auf, und die Fernbedienung fliegt zu Boden.
    »Mein süßer kleiner Kostas!« ruft sie außer sich. »Vielen Dank, mein Goldstück!« Sie preßt mich zuerst an sich, und dann drückt sie mir noch einen dicken Kuß auf die Wange.
    Auf dem Bildschirm ohrfeigt die Tochter den Stiefvater, dann wird die Szene abrupt unterbrochen. Wiederum taucht der Bulle auf und beginnt zu knurren. Doch Adriani hat alles andere vergessen und hält mich fest umschlungen, als wäre ich ihr ersehntes Paar Stiefel. Nachdem sie sich endlich von mir gelöst hat, bückt sie sich und hebt die Fernbedienung auf.
    »Ach, geht doch zum Teufel! Immer dasselbe, ihr hängt mir zum Hals raus!« sagt sie aufgeregt und drückt wie wild auf den Knopf. Dabei lächelt sie mich hinterlistig an, als ob sie sagen wollte: »Siehst du, wenn du mir jeden Tag ein Paar Stiefel kaufst, dann schau ich nie wieder fern!«
    Den ganzen restlichen Abend über, bis zur Nachrichtensendung, weicht sie nicht von meiner Seite und redet auf mich ein. Und was sie mir nicht alles erzählt – wie sehr die Lebenshaltungskosten gestiegen seien, daß man ein Paar Schuhe vor fünf Jahren noch für fünf- bis sechstausend Drachmen bekommen habe, und heute sei es nicht unter zwanzigtausend zu kriegen, daß der gegenüberliegende Supermarkt überteuert sei, weswegen sie zu einem anderen, drei Häuserblocks weiter, einkaufen gehe, wie sehr sie sich auf Katerinas Besuch freue und daß sie ihr schrecklich fehle. Alles leeres Gerede, um mir Sand in die Augen zu streuen, mit Ausnahme ihrer Worte über Katerina. Sie vermißt sie wirklich über alle Maßen. So wie ich auch. Seit dem Tag, als Katerina nach Thessaloniki abreiste, ist Adriani kaum wiederzuerkennen. Sie lebt nur noch für die kurzen Besuche ihrer Tochter – zu Weihnachten, zu Ostern und in den Sommerferien. Die öden Wartezeiten dazwischen füllt sie mit Putzen, Fernsehen und dem Aushecken der kleinen alltäglichen gegen mich gerichteten Rachefeldzüge aus.
    Um halb neun schalte ich die Abendnachrichten an und sehe Gikas’ Auftritt. Er ist zwar nicht gerade klein, doch wie er so hinter seinem riesigen Schreibtisch sitzt, kann er seinen Kopf gerade noch wie ein Ertrinkender über die Mikrofone halten. Der Vortrag meiner Zusammenfassung fließt ihm leicht und ohne Stocken von den Lippen. Kouvelos, unser Geschichtslehrer im Gymnasium, hätte ihn dafür mit einer fetten Eins belohnt. Über die Fünfhunderttausend und den Kleintransporter läßt er nichts verlauten. Er hat sich also nicht die Mühe gemacht, den ausführlichen Bericht zu lesen. Wenn die Reporter morgen dahinterkommen und ihn mit Fragen bombardieren, dann wird er sich mit dem Vorwand der noch nicht abgeschlossenen Nachforschungen herausreden. Mit den neuesten Resultaten habe er noch nicht an die Öffentlichkeit treten wollen.
    Zwei weitere Stunden schlagen wir tot, indem wir essen, Werbung mit ein wenig Film zwischendurch gucken und ein bißchen schwatzen. Um elf haben wir genug von allem und gehen ins Bett. Ich habe mich bereits hingelegt und will gerade den Liddell-Scott über meinem Bauch aufschlagen, als Adriani hereinkommt und sich neben mich legt. Sie trägt ein hellblaues Nachthemd mit einer Stickerei auf der Brust. Das Nachthemd ist fast durchsichtig, ihr weißer Slip schimmert darunter durch. Sie will gerade nach dem Dreigroschenroman auf dem Nachttischchen greifen, als ich den Liddell-Scott plötzlich fallenlasse und mich auf sie stürze. Mit der einen Hand ziehe ich sie an mich, die andere gleitet unter das Nachthemd und beginnt ihren linken Schenkel zu liebkosen. Sie ist zunächst ganz überrascht und steif, doch dann legt sie ihren Arm um mich und beginnt meinen Rücken zu streicheln, als müsse sie mich nach einem

Weitere Kostenlose Bücher