Hellas Channel
Filmdokument. Wir haben das Video aufbewahrt. Sie können es sich ansehen, wenn Sie wollen.«
Warum verpasse ich ihm nicht eine Ohrfeige? Warum versetze ich ihm nicht gleich mehrere Maulschellen? Warum fessle ich ihn nicht ausgestreckt zwischen zwei Stühle, ziehe ihm Schuhe und Socken aus und prügle seine Fußsohlen windelweich? Ein Polizist, der aufgehört hat zu schlagen, ist wie ein Raucher, der das Rauchen aufgegeben hat. Auch wenn man sich vernünftigerweise sagt: Wie gut, daß man aufgehört hat – innerlich wünscht man sich nichts sehnlicher, als Prügel auszuteilen, wie auch der ehemalige Raucher alles für einen Lungenzug geben würde.
»Weißt du, was ich mit dir machen sollte?« sage ich zu ihm. »Ich sollte dich auf der Stelle in das Untersuchungsgefängnis der Kriminalpolizei stecken, in ein Kellerloch voller Mörder, Schlägertypen und Dealer, damit sie auf deinem Hintern Poker spielen können!« Nur Worte, Geschrei, leere Drohungen. Ich habe das Rauchen aufgegeben und täusche mich mit Kaugummi darüber hinweg.
»Wie können Sie es wagen …! Wer gibt Ihnen das Recht, so mit mir zu sprechen? Wir werden uns lautstark beschweren, sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei Ihren Vorgesetzten. Mir scheint, Sie leben in anderen Zeiten.« Seine Stimme zittert, als hätte er Schüttelfrost.
»Erstens ist es gesetzwidrig, einen Mord öffentlich zu machen, bevor die Polizei benachrichtigt wird. Wir allein entscheiden, wann wir die Tat bekanntgeben und welche Einzelheiten an die Öffentlichkeit gelangen. Und zum zweiten: Wenn Sie ausplaudern, wann genau die Leiche entdeckt wurde, dann verhelfen Sie möglicherweise dem Mörder zur Flucht und werden so ungewollt zu einem Mittäter. Wenn Sie sich beschweren, werden Sie damit zweifellos erreichen, daß ich einen Rüffel bekomme. Und wissen Sie, aus welchem Grund? Weil ich Sie nicht gleich hoppgenommen habe.«
»Ich tue meine journalistische Pflicht. Janna hätte mich dazu beglückwünscht, wäre sie noch am Leben.«
Sie hätte ihm nicht nur gratuliert, sie hätte sich vor Freude die Hände gerieben, weil sie uns hereingelegt hätte. Ich weiß, daß es so ist, und äußere mich nicht weiter.
»Wieso wollte die Karajorgi im Mitternachtsjournal auf Sendung gehen? Soviel ich weiß, war kein zusätzlicher Termin für ihre Berichterstattung vorgesehen.«
»Sie wollte eine Affäre hochgehen lassen.«
»Was für eine Affäre?«
»Ich weiß nicht, sie hat es mir nicht gesagt.«
Jetzt geht mir der Hut hoch. »Passen Sie auf, Sperantzas, wehe, Sie spielen Verstecken, weil Sie selbst diese Affäre hochgehen lassen und den Ruhm einkassieren wollen. Sonst lasse ich Sie jagen wie einen bosnischen Moslem.«
»Ich verberge nichts vor Ihnen. Ich sage die Wahrheit.«
»Was ist denn die Wahrheit? Daß sie zu Ihnen kam und Ihnen mitteilte, sie würde eine Affäre hochgehen lassen, ohne sich genauer zu äußern und ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen? Wollen Sie damit sagen, bei Ihrem Sender kann jeder x-beliebige auf Sendung gehen und sagen, was er will?«
»Nicht jeder x-beliebige. Janna Karajorgi konnte es«, entgegnet er vorsichtig und blickt gleichzeitig in Richtung der Kameras, als fürchte er, jemand könnte seine Aussage aufzeichnen.
»Was soll das denn heißen?«
Er zögert, bevor er antwortet. Jetzt ist er in die Enge getrieben, und die Worte kommen nur mit Mühe über seine Lippen. »Janna hat ihre Entscheidungen immer allein getroffen. Sie war niemandem gegenüber Rechenschaft schuldig.« Er beugt sich nach vorne und dämpft seine Stimme. »Hören Sie, erwarten Sie des Rätsels Lösung nicht von mir. Ich kann Ihnen auch nicht mehr sagen.«
Unter dem Anzug aus dem Kostümverleih der Fernsehwelt verbirgt sich ein kleines Würstchen. Ängstlich, verunsichert. Plötzlich kommt er mir sehr vertraut vor, und mir vergeht die Lust, ihn weiter unter Druck zu setzen.
»Wann hat sie Ihnen von dieser Enthüllungsstory erzählt?«
»Ich war im Redaktionsraum und habe einen letzten Blick auf den Nachrichtentext geworfen. Ungefähr eine halbe Stunde vor Beginn der Sendung.«
»Um wieviel Uhr sind Sie dann auf Sendung gegangen? Um zwölf?«
»Drei Minuten nach zwölf. Die Serie, die vor den Nachrichten lief, verzögerte sich um drei Minuten, und wir haben sie nicht vorzeitig abgebrochen, sondern bis zum Ende gezeigt.«
»War sie allein?«
»Natürlich«, wundert er sich. »Mit wem sollte sie denn zusammengewesen sein?«
»Das würde ich selbst gerne wissen.« Ich
Weitere Kostenlose Bücher