Hellas Channel
nahm ein Aspirin, bevor ich außer Haus ging, doch bislang ohne spürbare Wirkung. Mein Kopf sitzt zentnerschwer auf den Schultern, und meine Schläfen pochen, als wären sie in eine Zange geklemmt. Ich blicke auf die Haustür, die halb offensteht. Der Abstand vom Wagen zur Tür beträgt drei Schritt, doch bei dieser Sintflut erscheint er mir nahezu unüberwindlich, und ich wage mich nicht aus dem Auto.
Ich muß wohl die Aufmerksamkeit der beiden Polizeibeamten im Streifenwagen erregt haben, denn der eine ist ausgestiegen und kommt auf mich zu. Ich öffne die Wagentür und springe hinaus. »Kommissar Charitos«, werfe ich ihm zu, während ich an ihm vorbeilaufe. Bis ich endlich ins Innere des Hauses gelange, bin ich bis auf die Haut durchnäßt, und selbst meine Socken haben sich vollgesogen. Scheißwetter.
Der Flur ist schmal und mit Marmorfliesen bedeckt. Zwei Türen gehen von ihm ab, eine links und eine rechts. Weiter hinten führt eine enge Holztreppe mit frisch gewachstem Geländer in den zweiten Stock. Ich öffne die rechte Tür und befinde mich in Karajorgis Büro. Dimitris von der Spurensicherung steht vor einem kleinen, in die Wand eingelassenen Bücherregal und durchsucht einige Dossiers.
»Was gefunden?«
Er sieht mich an und zuckt die Schultern. »Wir haben es mit einem Computer zu tun«, sagt er.
Ich erblicke den zum Schreibtischstuhl gewendeten Bildschirm und verstehe, was er meint. Sie müssen den Rechner zusammen mit den ganzen Disketten ins Labor bringen und ihn systematisch durchforsten: alle Dateien durchlesen und eine erste Auswahl treffen, dann die endgültig ausgewählten Dateien ausdrucken und an uns zur Auswertung weiterleiten. Angesichts der Arbeitsgeschwindigkeit des Labors ist damit bestenfalls in drei bis vier Tagen zu rechnen. Die guten alten Zeiten, als wir es noch mit maschinengeschriebenen Manuskripten zu tun hatten, mit Notizzettelchen, mit vollgeschriebenen Zigarettenschachteln und Rückseiten alter Rechnungen, sind vorbei. Wir schleppten das alles in die Dienststelle und zogen unsere Schlußfolgerungen aus dem Charakter der Handschrift oder dem ›a‹ der Schreibmaschine, dessen Rundung nicht ganz vollkommen war. Nunmehr ist alles einheitlich, ob man Ben Hur oder einen Kaufvertrag vor sich hat. Wie soll man da auf einen grünen Zweig kommen!
»Überlaß das mir und übernimm etwas anderes«, sage ich zu Dimitris. Ihm kommt das mehr als gelegen, und er verschwindet, bevor ich es mir anders überlegen kann.
Der Raum ist quadratisch wie in allen alten Häusern. Der Schreibtisch ist aus Holz, mit gedrechselten Füßen. Der klassische Schreibtisch einer Rechtsanwaltskanzlei. Wahrscheinlich ein altes Familienerbstück ihres Vaters oder eines Onkels. Wenn man am Schreibtisch sitzt, sieht man vom Fenster aus auf die Ringstraße, die um den Lykavittos-Hügel führt. Es schüttet immer noch, und die Autos fahren nach wie vor dicht hintereinander und hupen wie besessen. Das Fenster ist klein, und das Zimmer muß auch bei Sonnenschein finster sein. Jetzt, bei diesem Regen, tappt man im Dunkeln, wenn man das Licht nicht anmacht. Beidseitig des Fensters stehen zwei zum Schreibtisch passende alte Ledersessel.
Die Wand zur Rechten ist mit Regalen bis unter die Decke zugestellt. Die Bücher stehen teilweise dicht aneinandergedrängt, dann wieder in lockeren Abständen. Sie scheint sie nach bestimmten Prinzipien hineingestellt zu haben. Noch mehr jedoch interessiert mich das in die gegenüberliegende Wand eingelassene Bücherregal. Denn auf dem obersten Brett sehe ich Aktenordner, während sich auf den übrigen eine Reihe von Mappen und eine Menge Papierkram stapelt, lose oder in Plastiktüten verschnürt.
Ich blicke darauf und überlege, daß ich ein Riesenwichser sein müßte, um mich den ganzen Tag durch diesen Papierwust zu wühlen. Im Endeffekt ist es Aufgabe der Spurensicherung, ihn zu sortieren und mir fein säuberlich ins Büro zu bringen. Doch dann, wie um mir zu beweisen, daß ich auch wirklich ein Wichser bin, strecke ich meine Hand nach dem ersten Aktenordner aus und ziehe ihn aus dem Regal. Ich blättere ihn hastig durch und lege ihn beiseite. Er ist voll Strom-, Telefon- und Wasserrechnungen. Ich greife nach dem zweiten Ordner und treffe auf ihre Steuererklärungen. In der letzten hat sie ihr Nettoeinkommen mit zwölf Millionen Drachmen angegeben. Den fettesten Anteil, achteinhalb Millionen, bildet ihr Gehalt vom Sender. Ich überschlage rasch die Summe und finde heraus, daß
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