Hellas Channel
findest du auch einen Mann, der zu dir paßt, und dann wirst du sehen, daß nicht alle gleich sind.«
Bei ihren letzten Worten löst sich ihre Selbstbeherrschung in nichts auf, und sie heult erneut los. Diesmal jedoch erinnert sie sich an ihr Taschentuch, wischt damit jedoch ihre Nase nur ab, anstatt sich kräftig hineinzuschneuzen. Ich vergesse ganz, sie zu trösten, weil meine Gedanken noch beim Verhältnis der Karajorgi zu Petratos verweilen. Bei Janna und Nestor, der Karnevalsnase.
»Komm schon, es reicht jetzt. Seit heute morgen heulst du schon. Sogar die Polizei kommt zu dir nach Hause, statt daß du selber hingehst, um herauszubekommen, was passiert ist. Als ob man mit Heulen irgend etwas verändern könnte.«
Ich wende mich um und sehe eine junge Frau auf der Türschwelle stehen. Sie muß ungefähr gleich alt wie Katerina sein, vielleicht ein wenig jünger. Ich starre sie mit offenem Mund an.
»Das ist Anna, meine Tochter«, höre ich die Antonakakti sagen.
Es ist, als sähe ich Janna Karajorgi vor mir, zwanzig Jahre jünger, ungefähr in dem Alter, als sie die Fotografie ihres Personalausweises machen ließ. Eine großgewachsene und schlanke junge Frau, mit derselben strengen Schönheit und demselben arroganten Blick wie Janna. Als hätte die Natur ein Spielchen getrieben und der Nichte die Physiognomie ihrer Tante verpaßt. Sie trägt keine Trauerkleidung. Sie ist einfach gekleidet, mit einem Baumwolleibchen, Jeans und Sportschuhen. Sie setzt sich und wendet mir ihren kühlen und überheblichen Blick zu. Unvermutet überkommt mich der Impuls, ihr keine Bedeutung zuzumessen, so wie früher auch ihrer Tante. Nicht aus Selbstherrlichkeit oder Widerwillen, sondern weil ich mich im Grunde mit ihr nicht anlegen will. Da ist mir ihre Mutter lieber, die sich einfach ihren Kummer von der Seele redet.
»Hat Ihnen Ihre Schwester irgend etwas über die Enthüllungsstory erzählt, über die sie berichten wollte?«
»Nein. Janna hat nie über ihre Arbeit gesprochen.«
»Wissen Sie, ob sie bedroht wurde? Ob sie Angst um ihr Leben hatte?«
Die Tochter kommt der Mutter zuvor. »Sie hatte Angst«, sagt sie zu mir. »Und zwar ständig. Sie sagte immer: ›Eines Tages bringe ich mich um Kopf und Kragen.‹ Sie sagte das lachend, aber im Grunde glaubte sie es. Meine Tante war ein schwieriger Mensch. Wenn sie sich etwas in den Kopf setzte, ließ sie sich durch nichts in der Welt wieder davon abbringen. Sie stürzte sich darauf, ohne Rücksicht auf Verluste –«
»Anna, was redest du denn da?!« unterbricht sie die Mutter alarmiert.
»Die Wahrheit sage ich.« Sie wendet sich kaltschnäuzig mir zu. »Meine Tante provozierte gerne. Es gefiel ihr, den Leuten auf die Zehen zu steigen. Es bereitete ihr Vergnügen, aber sie hatte auch Angst deswegen. Als ich ihr einmal erzählte, ich wolle Journalistin werden, hat sie monatelang nicht von mir abgelassen, um mich vom Gegenteil zu überzeugen. Sie zählte mir alle nur erdenklichen Nachteile auf. Daß der Beruf seinen früheren Glanz verloren habe, daß man jetzt entweder schleimen oder mit Ellbogentechnik arbeiten müßte, um voranzukommen. In beiden Fällen lägen die Kollegen mit dem Gewehr im Anschlag auf der Lauer. Sie meinte, sie hätte so viel verkehrt gemacht in ihrem Leben, daß sie sich vor ihrem eigenen Spiegelbild schäme. All das hat mich schließlich überzeugt, und ich schrieb mich im Fach Medizin ein.«
»Anna, ich bitte dich! Ich erlaube dir nicht, Jannas Andenken in den Schmutz zu ziehen!«
Die junge Frau dreht sich um und wirft ihrer Mutter einen Blick voll eiskalter Wut zu. Unversehens ahne ich, daß dieser Blick nur eine Maske ist und das darunter verborgene Gesicht kurz davor steht, in Tränen auszubrechen.
Die Kopfschmerzen haben wieder zugenommen. Mit Mühe halte ich meinen Kopf aufrecht. Eine fürchterliche Müdigkeit ergreift mich und ich erhebe mich. Es will mir auch keine weitere Frage in den Sinn kommen.
»Ich danke Ihnen. Wenn wir eine zusätzliche Auskunft benötigen, dann rufen wir Sie an.«
Die Mutter grüßt mich mit einem Kopfnicken, denn sie weint leise vor sich hin und bringt kein Wort hervor.
Die Tochter steht mit ausdrucksloser Miene auf und begleitet mich hinaus. Ich habe bereits die Klinke in der Hand, als sie mich zurückhält.
»Herr Kommissar.«
»Ja?«
»Ach, nichts –«, äußert sie, ihren Vorstoß bereuend.
»Sie wollten mir etwas sagen?«
»Nein. Wenn ich Ihnen etwas sagen wollte, dann hätte ich es getan.«
Sie
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