Hellas Channel
lag unser Robespierre ja goldrichtig. So ist das mit den Revolutionären. Sie bauen zwar Scheiße in der Revolution, dafür aber kennen sie die Frauen.
15
I ch schließe die Eingangstür hinter mir in der Erwartung, gleich den Bullen knurren zu hören oder die Staatsanwältin in Tränen aufgelöst zu sehen. Doch nichts von alledem. Das Wohnzimmer ist in Dunkel getaucht, und auch der Fernseher ist stumm. In der Küche finde ich eine Reispfanne mit Spinat vor. Adriani ist verschwunden. Ich frage mich, wo sie sein könnte, weil sie sonst nie am frühen Abend außer Haus geht. Schlagartig wird mir bewußt, daß ich die ganze Wohnung für mich allein habe, und mein Stimmungsbarometer steigt.
Ich greife mir das Wörterbuch von Dimitrakos und werfe mich in voller Montur aufs Bett. Meine Schuhe streife ich aber noch schnell ab. Ich will Adriani keine Angriffsfläche bieten, denn in meinem Zustand sehne ich mich geradezu nach einer Gelegenheit, meinem Ärger Luft zu machen. Und dann würde Adriani ungerechterweise eine volle Breitseite abbekommen. Ich öffne das Lexikon zufällig beim Buchstaben K und beginne zu blättern.
Karneval – Zeit des Narrentreibens, der Kostüm- und Maskenfeste, unter Anlehnung an lat. carne vale = Fleisch, lebe wohl!
Und weiter unten:
Karnevalsprinz = von einem Karnevalsverein für eine Saison gewählter, in einem Prinzenkostüm auftretender Repräsentant des närrischen Treibens.
Ich denke an die übermalte Figur auf der Fotografie in Karajorgis Wohnung. Petratos war beileibe kein Karnevalsprinz, sondern eher eine Pappnase. Die Karajorgi hatte ihn umgehend entthront und kaltblütig abserviert. Zu Dimitrakos’ Zeiten existierte der Begriff Pappnase anscheinend noch nicht. Was für ein Spiel trieb die Karajorgi mit Petratos? Sie hatte ihm die Pappnase aufgesetzt, ohne Frage. Was aber war seine Rolle? Was wollte er von ihr und weshalb bedrohte er sie? Und was hatte der erste Brief zu bedeuten, in dem er schrieb, er sei von ihrem Wiedersehen überrascht worden? Er sah sie doch jeden Tag im Sender. Hatte er sie vielleicht an einem anderen Ort getroffen? Irgendwo, wo er nicht mit ihr rechnete? Es ist vollkommen nachvollziehbar, daß er mit ihr über die ganze Sache sprechen wollte. Da er beim Sender keine Gelegenheit fand, wollte er sie außerhalb treffen.
»Hier bist du also!«
Ich blicke über den Rand meines Wörterbuchs und sehe Adriani auf der Schwelle stehen und mir zulächeln. »Na also, du hast dir sogar die Schuhe ausgezogen«, fügt sie befriedigt hinzu.
»Wo warst du denn?«
»Wart’s ab. Ich habe eine Überraschung für dich.«
Sie stürmt aus dem Zimmer. Ich höre draußen Plastiktüten, Kartons und Papier rascheln. Kurz darauf tritt sie wieder herein, ihre Hände sind jedoch leer.
»Wie findest du sie? Stehen sie mir?«
Sie streckt ihren Fuß in die Höhe wie eine abgetakelte Ballerina und dann erst bemerke ich endlich die Stiefel. Sie sind aus dunkelbraunem, glänzendem Leder, hoch geschnitten und reichen fast bis zum Knie.
»Also, sag schon!« beharrt Adriani ungeduldig.
Sie erwartet einen Begeisterungsausbruch meinerseits, und, unter uns gesagt, sind die Stiefel ihr Geld durchaus wert. Unvermittelt erfaßt mich jedoch eine unerklärliche Gereiztheit, und ein kleinlicher Geiz macht sich in mir breit. Ich denke an die Fünfunddreißigtausend, die ich dafür hingelegt habe, und, um das Maß vollzumachen, an die Zwölftausend, die ich Thanassis für die Restaurantrechnung aus eigener Tasche noch hingeblättert habe. Innerhalb von zwei Tagen habe ich fünfzigtausend ausgegeben, habe mich voll über den Tisch ziehen lassen. Ich hadere mit mir, daß ich Adriani aus reiner Gefälligkeit die Summe für die Stiefel so schnell ausgelegt habe. Statt sie wie gewohnt ein wenig schmoren zu lassen, denn dann hätte ich vorläufig nur die Zwölftausend lockermachen müssen.
»Ganz nett«, sage ich halbherzig und wende mich wieder meinem Dimitrakos zu.
»Nett? Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«
»Was denn noch? Im Endeffekt sind es Stiefel wie alle anderen auch.«
»Nicht wie alle anderen auch. Das sind Stiefel von Petridis.«
»Na schön, die von Petridis sind anders. Deshalb zahlst du auch fünfunddreißigtausend dafür und nicht zwanzigtausend wie sonst überall.«
»Was willst du damit sagen? Daß ich das Geld zum Fenster hinauswerfe, nur um gute Figur zu machen?«
»Nein, das will ich damit nicht sagen. Jedenfalls stehen sie dir prima. Noch viel Spaß damit.«
Das
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