Hellas Channel
Mitarbeiterin Martha Kostarakou.«
Martha Kostarakou tritt auf und berichtet von Karajorgis Telefonanruf. Sie sagt nur das Notwendigste, ohne Kinkerlitzchen. Vielleicht sieht sie deshalb neben dem Moderator so farblos aus.
»Warum hat Janna Karajorgi gestern Martha Kostarakou angerufen? Und warum hat sie sie aufgefordert, diese Nachforschungen weiterzubetreiben, falls ihr etwas zustoßen sollte? Wovor hatte Janna Karajorgi Angst?« Der Moderator blickt in die Linse, als erwarte er von den Zuschauern des Rätsels Lösung. »Die Reporter unseres Senders haben versucht, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Und dabei haben sie eine erschütternde Entdeckung gemacht.« Er hält kurz inne, dann tut er so, als richte er seinen durchdringenden Blick auf jeden einzelnen Zuschauer, und fragt: »Meine Damen und Herren, erinnern Sie sich an diesen Mann?«
Erneuter Szenenwechsel, diesmal zur Umzäunung des Gerichtsgebäudes in der Evelpidon-Straße. Die Kamera ist auf einen kleingewachsenen, dünnen Mann gerichtet. Er trägt einen dunklen Anzug sowie ein weißes Hemd mit Krawatte. Er wirkt wie ein leitender Bankangestellter oder der Kassenwart einer öffentlichen Einrichtung. Seine Hände stecken in Handschellen, und zwei Polizeibeamte in Zivil halten ihn seitlich an den Armen fest und versuchen ihn mit Gewalt aus der Umklammerung der Journalisten zu befreien. Ich erkenne ihn auf der Stelle wieder. Es ist Petros Kolakoglou.
Schnitt. Eine Kleinmädchenstimme spricht hinter einem verwaschenen farbigen Mosaik, mit dem Gesichter verfremdet werden, um sie der Öffentlichkeit nicht preiszugeben. Die Stimme, die die Fragen stellt, gehört Janna Karajorgi.
»Und was hat er dann getan?«
»Er hat mich gestreichelt«, antwortet die Kleinmädchenstimme hinter dem Mosaik.
»Wo hat er dich gestreichelt?«
Es folgt eine kurze Pause. Dann bricht das kleine Mädchen in Tränen aus.
»Die Szene, die wir Ihnen nun zeigen werden, meine Damen und Herren, muß man nicht weiter kommentieren. Sie spricht für sich.« Wieder der Moderator. Er hat eine vollkommen andere Miene aufgesetzt und lächelt breit. Das Triumphgefühl hat die Betroffenheit ersetzt. Man hat die Erbtante lang genug beweint, jetzt wird das Testament eröffnet, und die Aufteilung kann beginnen.
Wechsel zurück in die Evelpidon-Straße. Kolakoglou geht in Begleitung zweier Polizeibeamter auf den Polizeiwagen zu. Er hält den Kopf gesenkt und blickt nicht auf. Als er sich dem Wagen nähert, stürmt eine Schar Reporter auf ihn los, die Mikrofone in die Höhe gereckt wie Speerspitzen. An vorderster Front die Karajorgi.
»Was haben Sie zum Gerichtsurteil zu sagen, Herr Kolakoglou?« fragt sie ihn.
Kolakoglou hebt unvermittelt den Kopf. Sein bohrender Blick heftet sich auf sie. »Du hast mir diesen Schlamassel eingebrockt, du Schlampe!« zischt er wutentbrannt. »Dafür wirst du bezahlen! Das kommt dich noch teuer zu stehen!« Er kann nicht fortfahren, denn die Polizeibeamten durchbrechen die Menschenmauer und schubsen ihn in den Wagen. Die Kamera verweilt auf der Karajorgi, wie sie hinten Kolakoglou her sieht und voll Genugtuung lächelt.
Das Bild wird ausgeblendet, und wieder taucht der Moderator auf. »Petros Kolakoglou, meine Damen und Herren, wurde vor einem Monat wegen guter Führung vorzeitig aus; der Haft entlassen. Janna Karajorgi hatte sich intensiv mit! dem Fall Kolakoglou befaßt. Sie hielt den Mann für extrem gefährlich. Sie hatte zwar bereits ein Buch über den Fall herausgebracht, doch man kann mit gutem Grund annehmen, daß sie ihre Nachforschungen fortsetzte und deshalb Angst hatte.« Er schaut ernst und mit bedeutungsvollem Blick in die Kamera. Ein Blick, der alle Möglichkeiten offenläßt. »Wir haben Kolakoglou gesucht, doch nirgends ausfindig machen können. Niemand weiß, wo er sich aufhält, beziehungsweise niemand möchte darüber sprechen.«
Von diesem Augenblick an schweifen meine Gedanken von der Mattscheibe ab. Die Bilder laufen vor meinem Auge weiter, doch ich nehme sie nicht mehr wahr. Nun glaubt ganz Griechenland, daß Petros Kolakoglou Karajorgis Mörder ist. Ab morgen werden die Reporter sämtlicher Sender hinter ihm hersein. Und wer ihn zuerst auf dem Tablett serviert, bestimmt das Tagesmenü seines Senders.
Nach kaum einer halben Minute bestätigt sich mein Verdacht zumindest teilweise. »Glücklicherweise gibt es die Journalisten, die einige Dinge ans Tageslicht bringen. Denn von der Polizei kann man ja nicht allzuviel erwarten«,
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