Hellas Channel
sich die Leute so für den Mord an Janna Karajorgi interessieren und auf die Straße gehen würden, um ihren Mörder zu suchen. Das wäre nicht nur ein enormer journalistischer Erfolg, sondern auch eine Anerkennung von Jannas Leistung.«
»Wenn der Täter aber ein anderer ist? Nun gut, einige Hinweise belasten Kolakoglou, doch wir können noch nicht absolut sicher sein, daß er sie getötet hat. Vielleicht ist er unschuldig.«
»Wovor haben Sie Angst?« fragt mich der Moderator spöttisch. »Etwa daß wir die Ehre eines Kinderschänders beflecken, der zu sechs Jahren Haft verurteilt worden war?«
»Nein. Ich fürchte, daß Sie wertvolle Zeit verlieren, indem Sie den Falschen suchen.«
»Zunächst einmal ist es gar nicht unsere Aufgabe, Kolakoglous Schuld nachzuweisen«, fährt Petratos dazwischen. »Wir spielen ihn Ihnen nur in die Hände. Alles andere ist Ihre Sache.«
Mit anderen Worten: Wir halsen euch Kolakoglou auf, ihr rennt euch die Hacken ab, um seine Schuld zu beweisen, und inzwischen blähen wir nach Kräften unsere Nachrichtensendungen auf und erwirtschaften Höchstwerte an Zuschauerquoten.
»Jedenfalls haben Sie keinen Grund zur Beunruhigung«, fährt Petratos fort. »Mit neunzigprozentiger Sicherheit war er der Mörder. Ohne Jannas Ausdauer wäre ihm die Haftstrafe erspart geblieben. Er ist der einzige, der ein Motiv hatte.«
»Sie irren sich«, entgegne ich milde. »Ein Motiv hatten auch andere. Sogar Sie selbst.«
Sein Mund bleibt offen stehen und rundet das Bild des Fettmopses ab. Er zögert, ob er die Bemerkung ernst nehmen oder bloß als Scherz auffassen soll. Schließlich scheint er letzterer Auffassung den Vorzug zu geben und bricht in ein markerschütterndes Gelächter aus.
»Ich? Sie scherzen natürlich.«
Ich entgegne nichts, sondern wende mich an den Moderator, der sich noch nicht von seiner Überraschung erholt hat. »Würden Sie uns bitte allein lassen?«
Der Moderator verliert vollends die Fassung und weiß nicht, was er tun soll. Petratos gibt ihm durch einen unmerklichen Wink zu verstehen, daß er hinausgehen soll.
»Ihre Miene gefällt mir gar nicht, Herr Kommissar«, sagt seine klirrend kalte Stimme.
»Mir Ihre auch nicht, wenn Sie die Nachrichten moderieren«, fahre ich ihm über den Mund, so daß er zur Salzsäule erstarrt. Mit Freuden würde er die Tür hinter sich zuknallen, doch sie ist aus Aluminium, und er muß befürchten, daß das ganze Kabuff dabei einstürzt.
»Nun, Herr Kommissar. Aus welchem Grund sollte ich Janna Karajorgi töten?«
»Sie hatten eine Beziehung mit ihr. Sie hat Sie für ihren eigenen Aufstieg benützt. Und als sie Sie nicht mehr brauchte, hat sie Sie fallengelassen.«
Er macht einen kläglichen Versuch, sein spöttisches Lächeln aufrechtzuerhalten. Doch er scheitert, denn das Gehörte paßt ihm ganz und gar nicht.
»Wer hat Ihnen so etwas gesagt?«
»Wir haben uns eben umgehört. Das ist unser Job.«
»Daß wir eine Beziehung hatten und uns trennten – ich möchte betonen, daß sie mich nicht sitzenließ, sondern wir uns einvernehmlich trennten –, bildet das allein denn schon einen triftigen Grund, sie umzubringen?«
»Ich habe das ein wenig anders gehört, Herr Petratos. Sie haben sich nicht einvernehmlich getrennt, sondern sie hat Ihnen den Laufpaß gegeben, sobald sie einen direkten Draht zu Herrn Delopoulos bekam und tun und lassen konnte, was sie wollte, ohne Ihnen Rechenschaft abzulegen. Das verletzte Ihren Mannes- und auch Ihren Berufsstolz. Sie hätten ihr liebend gerne eine Lektion erteilt, doch Janna konnte auf Herrn Delopoulos’ Unterstützung bauen. Sie konnten sie weder unter Ihre Kontrolle bringen noch aus dem Sender entlassen. Und wie ich die Karajorgi kenne, ließ sie Sie das tagtäglich spüren – Sie müssen sich schwarz geärgert haben.« Wenn ich jetzt die Fotografie mit der Karnevalsnase bei mir hätte, würde ich sie ihm ganz dicht unter seine Nase halten. Doch ich habe sie im Büro liegenlassen.
Er kocht innerlich vor Wut, doch er bemüht sich, gleichgültig zu erscheinen. »All das sind Ihre persönlichen Vermutungen, die jeglicher Grundlage entbehren.«
»Das sind keine Vermutungen. Das sind Schlußfolgerungen, die sich auf Zeugenaussagen stützen. Der Karajorgi-Mord weist alle Kennzeichen eines Verbrechens aus Leidenschaft auf. Das paßt auf Kolakoglou, das paßt aber auch auf Sie, wo Sie ihr doch Briefe schrieben und sie bedrohten.«
Seine Verblüffung wirkt aufrichtig – so aufrichtig ein Journalist
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