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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Scheißwetter.

28
    Manöver, das = [franz. manœvre, eigentl. = Handhabung; Kunstgriff, < lat. manu operari = mit der Hand bewerkstelligen]: 1) große militärische Übung im Gelände; 2) geschickt ausgeführte Wendung, taktische Bewegung (eines Truppenteils, Schiffes, Flugzeugs, Autos o. ä.); 3) geschicktes Ausnutzen von Menschen und Situationen für eigene Zwecke; Winkelzug. Manövrieren = 1) ein Manöver, geschickte Bewegungen ausführen; 2) ein Fahrzeug geschickt an einen Ort oder durch eine schwierige Strecke lenken; 3) durch geschicktes Handeln oder Verhandeln etwas zu erreichen suchen: politisch geschickt manövrieren; 4) geschickt in eine bestimmte Lage, Stellung bringen: jmdn. in eine einflußreiche Position manövrieren.
     
    D ieses Wort ist große Klasse. So viele verschiedene Bedeutungen. Die Spalte im Wörterbuch von Liddell-Scott nimmt mitsamt den Beispielen fast eine halbe Seite ein. Wo würde ich Gikas und wo mich selbst einordnen? Bei Gikas fällt es mir verhältnismäßig leicht. Er wickelt den Minister, Delopoulos, die Journalisten um den kleinen Finger. Er redet allen nach dem Mund, bis sie wiederum nach seiner Pfeife tanzen. Auf ihn paßt die Bedeutung des Winkelzugs, des plumpen Ablenkungsmanövers. Für mich selbst paßt viel eher die solide Bedeutung des händischen Manövrierens meines Mirafiori.
    Es war bereits halb acht, als ich nach Hause kam. Der Fernseher brüllte auf voller Lautstärke, doch Adriani war nicht im Wohnzimmer, sondern in der Küche zugange. Das macht sie öfter so. Wenn sie in der Küche zu tun hat, stellt sie den Fernseher lauter, um die Serien zumindest mitzuhören und nichts zu verpassen. Ich holte im Bett erst einmal tief Luft. Die Anspannung des ganzen Tages plus drei Stunden hinter dem Lenkrad hatten mir den letzten Rest gegeben. Ich legte mich hin, um ein wenig auszuspannen, und stützte das Lexikon von Liddell-Scott auf meinen Bauch wie auf ein Lesepult.
    Mittlerweile ist es bereits fünf vor halb neun, doch ich bin nicht in der Stimmung, die Nachrichtensendung einzuschalten. Was man über Kolakoglou verbreiten wird, weiß ich ohnehin schon. Und was ich hingegen über Pylarinos weiß, ist im Nachrichtensender noch nicht bekannt. Somit kann ich mir heute abend beruhigt freinehmen. Seit heute morgen habe ich nur ein halbes Croissant zu mir genommen, und mein Magen knurrt gefährlich. Ich stehe auf, um einen Blick auf Adrianis Essen zu werfen. Als ich am Wohnzimmer vorbeigehe, sehe ich sie in ihrem Sessel vor den Nachrichten sitzen.
    Auf dem Küchentisch prunkt eine Servierschüssel mit gefüllten Tomaten. Ich schalte sofort. Auf diese Weise will mir Adriani zu verstehen geben, daß wir uns nunmehr versöhnen sollten. Diese Gewohnheit hat sich seit unserem allerersten Streit eingebürgert. Damals waren wir frisch verheiratet und litten schwer darunter, daß wir nicht miteinander sprachen. Wir hielten dennoch am Schweigen fest, um das Durchhaltevermögen des anderen zu prüfen. Bis mir eines Tages Adriani gefüllte Tomaten servierte. Sie wußte, daß das meine Lieblingsspeise war, hatte sie aber noch nie für mich gekocht. Als ich das Gericht sah, schmolz ich dahin wie Schnee in der Sonne. »Bravo, deine schmecken sogar besser als die meiner Mutter!« Das war zwar geschwindelt, denn die gefüllten Tomaten meiner Mutter waren unübertrefflich. Doch einerseits brauchte ich einen Anhaltspunkt, um mit ihr ins Gespräch zu kommen, und andererseits waren wir gerade erst ein halbes Jahr verheiratet, und ich hatte sie seit drei Tagen nicht mehr angefaßt. Von damals also stammt diese Sitte her. Jedesmal, wenn sie sich wieder versöhnen will, macht sie gefüllte Tomaten, ich sage ihr, wie köstlich sie schmecken, und das Eis ist gebrochen. Nur, daß ich heute nicht mehr schwindeln muß, denn sie kocht inzwischen tatsächlich vorzüglicher als meine Mutter. Ehre, wem Ehre gebührt.
    »Diesmal hast du dich selbst übertroffen. Du hast goldene Hände«, sage ich zu ihr.
    Sie richtet den Blick vom Fernseher weg auf mich und lächelt mir zu. »Hast du schon gegessen?«
    »Ich habe nur einen Löffel gekostet. Ich wollte lieber mit dir zusammen essen.«
    Sie schaltet den Fernseher ab und folgt mir in die Küche. Sie trägt auf, legt auch eine Tomate auf ihren Teller und setzt sich mir gegenüber hin. Jetzt, da ich sie im Licht sehe, erkenne ich, daß ihre Augen rot und verschwollen sind.
    »Was hast du denn?« frage ich sie besorgt.
    »Nichts.«
    »Wie … nichts! Du hast doch

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