Hellas Channel
zwar erreicht, daß Katerina in Thessaloniki bleibt. Doch nun reist Adriani an, und er kann als privater Pflegefall Katerina nicht völlig mit Beschlag belegen. Ganz abgesehen davon, daß sie die Feiertage nicht in trauter Zweisamkeit verbringen können, weil er die Schwiegermutter überallhin mitschleppen muß. Adriani fällt mir stürmisch um den Hals, und ihre Lippen pressen sich wie Saugnäpfe auf meine Wange.
»Du bist ein Schatz«, flüstert sie, als sie mich wieder losläßt. »Kann sein, daß dich manchmal der Teufel reitet und du nicht mehr weißt, was du redest. Doch im Grunde bist du lammfromm.«
Wollte sie mir mit dieser Äußerung einen Gefallen tun? Ich weiß nicht, jedenfalls schiebt sie den Teller mit den gefüllten Tomaten wieder vor mich hin. »Komm schon, iß jetzt«, sagt sie mit Nachdruck. »Ich würde es mir sehr zu Herzen nehmen, wenn du sie stehenläßt. Ich habe sie extra für dich gekocht.«
Und sie zwingt mich zu essen. Sie hat die Köstlichkeit dieser Speise perfektioniert und auch mein Appetit kehrt wieder. Sie selbst kostet nur ein wenig und betrachtet mich zufrieden.
»Weswegen haben sie dich gestern in die Mangel genommen?« fragt sie plötzlich. »Weil es ein schwieriger Fall ist?«
»Was soll’s, sie haben auf Granit gebissen, weil ich recht behalten habe.«
»Wenn die nur ein bißchen Grips hätten, dann würden sie dich nur machen lassen, damit du ihnen den verfahrenen Karren aus dem Dreck ziehst. Statt sich derartig aufzuspielen.«
Sie hat die Tonart gewechselt. Nun ist alles, was ich tue, goldrichtig, und ich habe in allem recht. Nicht, daß es mir unangenehm wäre, wenngleich ich diese Eintracht auch zum Teil erkauft habe. Ich bin auch nur ein Mensch, und es tut gut, beweihräuchert zu werden. Seltsamerweise freue ich mich weniger darüber als angesichts der Tatsache, daß ich ihre Mutlosigkeit verjagen und ihr den Rücken stärken konnte.
29
D ie gefüllten Tomaten verursachten mir eine Magenverstimmung, und die ganze Nacht lang wälzte ich mich von einem Alptraum zum nächsten. Am Anfang stand eine Auseinandersetzung mit Gikas, der mich vom Dienst suspendierte, weil ich Kolakoglou eingesperrt hatte. Ich hätte das getan, behauptete er, um die Nachforschungen in eine falsche Richtung zu lenken, da ich von Pylarinos geschmiert worden sei. Er nämlich habe die Mädchen vergewaltigt und nicht Kolakoglou. Ich versuchte ihn zu überzeugen, daß ich Beweise in der Hand hätte und schlug vor, Kolakoglou in Gikas’ Anwesenheit zu verhören. Doch als man ihn hereinbrachte, war es nicht Kolakoglou, sondern Petratos. Man setzte ihn vor mir auf einen Stuhl und ich begann auf ihn einzubrüllen. »Sag endlich, woher du den Hektographen hast, mit dem du deine Flugblätter druckst, sonst reiß ich dir die Eingeweide bei lebendigem Leib heraus, du Kommunistenschwein! Dann kommst du nur mit den Füßen voran hier raus!« Und Gikas war zu Kostaras geworden. »Bravo! Du machst Fortschritte, schön langsam lernst sogar du dazu«, sagte er voll Genugtuung zu mir. Doch Petratos’ Mund blieb eisern verschlossen. Da begann ich in blinder Wut wie ein Besessener auf ihn einzuschlagen, und in diesem Augenblick erwachte ich schweißgebadet.
Nun sitze ich unausgeschlafen am Steuer des Mirafiori.
Ich bemühe mich, eine gewisse Ordnung in die bislang von mir zusammengetragenen Hinweise zu bringen. Mir ist noch nicht klar, ob ich es mit einem Fall oder mit zwei Fällen zu tun habe. Weisen die Morde an Karajorgi und Kostarakou eine Verbindung zu dem Aktenordner auf, den mir Anna Antonakaki übergeben hat, dann ist Pylarinos oder ein von ihm angeheuerter Killer der Täter. Stehen sie in keinerlei Verbindung zueinander, dann bleibt Petratos nach wie vor erste Wahl. Ein Punkt jedoch läßt mir keine Ruhe. Wieso hat der Mörder Kostarakous Wohnung in ein Schlachtfeld verwandelt, während er in Karajorgis Wohnung überhaupt nichts anrührte? Wenn er etwas suchte, dann hätte er doch zuerst dort nachsehen müssen! Außer, er hatte zum Tatzeitpunkt noch gar keinen Hinweis darauf, was er suchen sollte. Er hörte in den Nachrichten, daß die Karajorgi mit der Kostarakou telefoniert hatte, das ließ ihm keine Ruhe mehr, und er beschloß, ihr einen Besuch abzustatten. Die andere Frage, die mich beschäftigt, ist der Anfangsbuchstabe ›N‹ des unbekannten Briefschreibers. Der paßt wie angegossen auf Petratos, aber überhaupt nicht auf Pylarinos, der mit Vornamen Christos heißt. Wenn Petratos’
Weitere Kostenlose Bücher