Hellas Channel
hinaufgelangt?«
»Ich kann Ihnen nur sagen, was der Hotelbesitzer zu Protokoll gegeben hat.«
Und er zählt es mir auf. Kolakoglou war vor drei Tagen im Hotel aufgetaucht. Er hatte sich unter dem Namen Spyrou eingetragen. Niemand weiß, wie er es schaffte, hineinzuschlüpfen. Deswegen muß angenommen werden, daß ein Bekannter Kolakoglous das Zimmer reservierte und er sich hineinschlich, als der Rezeptionist nicht auf seinem Posten war. Denn der Hotelier schwört Stein und Bein, daß er ihn heute zum ersten Mal sah. Derjenige, der mit ihm in der Bar saß, wird es wohl für ihn reserviert haben. Kolakoglou schloß sich den ganzen Tag lang im Zimmer ein. Heute morgen, in aller Herrgottsfrühe, tauchten Reporter des Hellas Channel auf. Sie nahmen den Hotelier von zwei verschiedenen Seiten unter Beschuß. Einerseits versetzten sie ihn in Angst und Schrecken durch die Mitteilung, daß es sich um einen gemeingefährlichen Straftäter handle. Andererseits steckten sie ihm Schmiergeld zu, damit er ihnen Kolakoglous Zimmer zeigte. Sie begannen an die Tür zu hämmern. Er rührte sich jedoch nicht. Schließlich drohten sie ihm, ihn der Polizei auszuliefern. Da sprang er mit der Pistole an seiner Schläfe vor die Tür. Er fing an herumzubrüllen, daß er sich eine Kugel durch den Kopf jagen würde. Die anderen Hotelgäste gerieten in Aufruhr, der Hotelier jedoch in Panik, griff zum Telefon und rief die Funkstreife. Als Kolakoglou sah, daß unsere Leute das Hotel stürmten, flüchtete er auf die Dachterrasse, immer mit der Pistole an der Schläfe. Seitdem, also seit ungefähr einer Stunde, steht er dort oben. Unbeweglich.
Während mir der Einsatzleiter seinen Bericht abliefert, sehe ich Petratos und den Moderator aus dem Hotel kommen.
»Entschuldigen Sie mich einen Augenblick«, sage ich zum Einsatzleiter und trete auf die beiden zu. Sie haben ihre Nadelstreifanzüge abgelegt und tragen nun Sportjacken und Pullover als Tarnanzüge für die bevorstehende Schlacht.
»Schon wieder kommen Sie hechelnd als zweiter ins Ziel, Herr Kommissar«, sagt Petratos und grinst hämisch.
Mir kommt die Galle hoch, während ich Thanassis verwünsche, der die Sache verbockt hat. »Was ist denn mit Ihnen los? Immer sind Sie knapp davor, den fetten Braten aufzuspüren, und jedesmal wird er Ihnen vor der Nase weggeschnappt!« blaffe ich ihn an.
»Sie können einfach nicht verdauen, daß wir gute Arbeit leisten, Herr Kommissar«, wendet der Moderator ein. »Statt sich für unsere Hilfe dankbar zu zeigen, brüllen Sie uns an.«
»Wenn Kolakoglou auch nur das Geringste zustößt, bringe ich Sie hinter Gitter. Da können Sie Gift drauf nehmen.«
»Und unter welcher Anklage, bitte schön?« fragt Petratos spöttisch.
»Warum sich lange bei der Anklage aufhalten? Ich halse Ihnen die Schuld an Kolakoglous Selbstmord auf und mache Sie fix und fertig. Hätten Sie uns rechtzeitig verständigt, hätten wir ihm vor dem Hotel aufgelauert und ihn ohne weiteres Blutvergießen hoppgenommen, sobald er aufgekreuzt wäre.« Ich hätte ihm gerne noch weiter die Leviten gelesen, doch ein herzzerreißender Aufschrei unterbricht meine Rede. Unmittelbar daran schließt sich der wimmernde Ton einer Totenklage.
»Mein Petros! Laß die Pistole fallen! Tu nichts Unüberlegtes! Das ertrag ich nicht!«
Ich wende mich um und sehe Kolakoglous Mutter, wie immer ganz in Schwarz. Alle Blicke haben sich von der Dachterrasse auf sie herabgesenkt. Sie schluchzt zum Steinerweichen, gestützt auf Sotiropoulos’ Arm. Robespierres Herz-As, murmle ich zu mir selbst. Sotiropoulos hat sie hergebracht, um Petratos’ Trumpf auszustechen.
»Ich bitte dich, laß die Pistole fallen und komm herunter! Tu es um meinetwillen!«
Die Reglosigkeit ihres Sohnes wird zum ersten Mal von einer Bewegung unterbrochen. Er setzt an, die Pistole sinken zu lassen, entsinnt sich jedoch wieder, warum er hochgeklettert war, und setzt sie wieder an seine Schläfe. »Mutter, geh weg! Du hast hier nichts zu schaffen!« ruft er ihr gleichzeitig zu.
Sotiropoulos, der sie nach wie vor stützt, beugt sich zu ihr hinunter und flüstert ihr etwas ins Ohr. Ich kann seine Worte zwar nicht verstehen, doch sie beginnt postwendend wieder in Tränen zu zerfließen: »Mein Junge, ich flehe dich an! Mein herzensgutes Kind, ich bitte dich! Ich weiß, was du mitgemacht hast, doch tu dir nichts an! Brich mir nicht das Herz!«
»Wozu habt ihr sie hergebracht? Schafft sie wieder fort!« ruft Kolakoglou von oben herunter.
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