Helle Barden
kommen.«
Es war im Zimmer eines Clowns. Colon hatte sich schon öfter gefragt,
wie es im Heim eines Clowns aussah, und nun stel te er fest, daß nichts
fehlte: Der übergroße Schuhspanner war ebenso vorhanden wie die extra
breite Hosenpresse, ein von Kerzen gesäumter Spiegel und riesige
Schminkstifte. Dazu ein Bett, das nur aus einer Decke auf dem Boden zu
bestehen schien. Dieser Eindruck täuschte keineswegs. Clowns und Nar-
ren wurden von Anfang an dazu erzogen, auf Komfort zu verzichten.
Humor war eine sehr ernste Angelegenheit…
In der Wand war ein Loch, groß genug, daß ein Mensch hindurchpaß-
te. Daneben waren Ziegelsteine aufgetürmt.
Dunkelheit lauerte auf der anderen Seite.
Karotte schob Kopf und Schultern durch die Öffnung. Colon versuch-
te ihn zurückzuziehen.
»Das sol test du besser lassen, Junge. Wer weiß, welche schrecklichen
Dinge jenseits dieser Wand auf dich warten?«
»Ich wol te es gerade herausfinden.«
»Vielleicht ist dort eine Folterkammer. Oder ein Verlies. Oder eine
Schlangengrube. Oder was weiß ich.«
»Es ist ein Schülerzimmer, Feldwebel.«
»Na bitte.«
Karotte trat durch das Loch, und seine Geräusche deuteten an, daß er
auf der anderen Seite in Bewegung blieb. Die Finsternis der Assassinen-
kammer umhül te ihn – eine Dunkelheit, die weniger düster anmutete als
das freudlose Zwielicht im Raum des Clowns.
Kurz darauf erschien Karotte wieder an der Öffnung.
»Hier hat sich schon seit einer ganzen Weile niemand mehr aufgehal-
ten«, sagte er. »Eine dicke Staubschicht bedeckt den Boden. Fußspuren
zeichnen sich darin ab. Die Tür ist geschlossen und verriegelt. Von die-
ser Seite.«
Der junge Mann kehrte ins Narrenzimmer zurück.
»Ich möchte sicher sein, daß ich alles richtig verstehe«, sagte er zu
Herrn Weißgesicht. »Beano machte ein Loch in die Wand zur Assassi-
nengilde. Dann brach er auf, um den Drachen explodieren zu lassen?
Wie kam er ums Leben? Wer brachte ihn um?«
»Bestimmt die Assassinen«, sagte Herr Weißgesicht. »Es wäre ihr gutes
Recht gewesen. Unbefugtes Eindringen in ein Gildenhaus ist ein schwe-
res Verbrechen.«
»Hat jemand Beano nach der Explosion gesehen?« erkundigte sich Ka-
rotte.
»Ja. Boffo hatte Wachdienst und erinnert sich genau daran, daß Beano
hinausging.«
»Ist er ganz sicher, daß es wirklich Beano war?«
Herr Weißgesicht blinzelte.
»Natürlich.«
»Wieso?«
»Wieso? Er hat ihn erkannt. Ist doch klar. So identifiziert man Perso-
nen. Man sieht sie an und sagt: Das ist der oder die. An-se-hen und er-
ken-nen«, betonte das Gildenoberhaupt. »Es war Beano, kein Zweifel.
Boffo meint, er habe sehr besorgt gewirkt.«
»Ah. Gut. Ich habe keine weiteren Fragen. Das heißt, noch eine: Hatte
Beano Freunde bei den Assassinen?«
»Das ist durchaus möglich. Besuche sind bei uns nicht verboten.«
Karotte sah den Oberclown einige Sekunden an. Dann lächelte er.
»Na schön. Das wär’s dann wohl.«
»Wenn er doch nur bei originel en Dingen geblieben wäre«, sagte Weiß-
gesicht.
»Zum Beispiel bei Sahnetorten?« fragte Feldwebel Colon. »Oder bei ei-
nem Eimer Tünche über der Tür?«
»Genau.«
»Wir gehen jetzt besser.« Karotte wandte sich noch einmal an Weißge-
sicht. »Ich nehme an, du möchtest keine Anzeige gegen die Assassinen-
gilde erstatten, oder?«
Herr Weißgesicht gab sich al e Mühe, erschrocken auszusehen, doch
das ist nicht leicht, wenn man sich ein breites Grinsen auf den Mund
gemalt hat.
»Was? Nein! Ich meine… wenn ein Assassine in unsere Gilde einge-
drungen wäre und etwas gestohlen hätte… dann könnte uns niemand
etwas vorwerfen, wenn wir…«
»Wenn ihr ihm Marmelade aufs Hemd kippt?« fragte Angua.
»Oder ihm einen Quietschbeutel auf den Kopf haut?« fügte Colon hin-
zu.
»Vielleicht.«
»Nun, über solche Dinge haben al ein die Gilden zu befinden«, sagte
Karotte. »Ich glaube, wir können jetzt gehen, Feldwebel. Hier gibt’s für
uns nichts mehr zu tun. Bitte, entschuldige die Störung, Herr Weißge-
sicht. Das muß alles sehr schwer für dich gewesen sein.«
Dem Gildenoberhaupt war die Erleichterung deutlich anzusehen.
»Oh, schon gut. Hat mich sehr gefreut, euch helfen zu können. Ihr tut
doch nur eure Pflicht.«
Er führte Karotte, Colon und Angua die Treppe hinunter und auf den
Hof, wo sich die anderen inzwischen rege unterhielten. Es klirrte und
knirschte, als die Wächter Haltung annahmen.
»Nun…«, sagte
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