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Helle Barden

Helle Barden

Titel: Helle Barden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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lassen, daß ich die
    Vorschriften mißachte.«
    Er wandte den Blick nicht von Kreuz ab, als er die Dienstmarke von
    der Jacke löste. Sie glänzte noch immer, trotz des Schlamms. Er hatte sie häufig poliert. Als er sie jetzt drehte, reflektierte die Bronze das Licht.
    Kreuz beobachtete das Objekt wie eine Katze.
    Die Glocken läuteten inzwischen mit weniger Enthusiasmus. In den
    meisten Türmen war es bereits wieder still. Abgesehen vom Gong im
    Tempel der Geringen Götter bimmelte es nur noch in der Assassinengil-
    de – deren Glocken waren traditionel spät dran.
    Der Gong schwieg.
    Der Professor legte die Armbrust langsam und vorsichtig auf den
    Schreibtisch.
    »Siehst du? Ich bin nicht mehr bewaffnet!«
    »Ja«, sagte Mumm. »Und ich möchte dafür sorgen, daß du dich nie
    wieder bewaffnen kannst.«
    Die letzte schwarze Glocke der Assassinengilde läutete den Mittag ein.
    Die anschließende Lautlosigkeit wirkte fast wie ein Donnerschlag.
    Mumms Dienstmarke fiel auf den Boden und verursachte ein metal e-
    nes Scheppern, das die Stille bis zum Rand füllte.
    Er hob das Gfähr und ließ zu, daß sich seine Hand langsam entspann-
    te.
    Erneut erklang eine Glocke.
    Sie läutete eine leise, blecherne Melodie, die man nur deshalb hörte,
    weil keine anderen Geräusche die Aufmerksamkeit beanspruchten.
    Kling, bing, a-bing, bong…
    Das Läuten kam von einem Mechanismus, der die Zeit viel genauer
    anzeigte als Stundengläser, Wasseruhren und Pendel.

    »Leg das Gfähr beiseite, Hauptmann«, sagte Karotte, die letzten Stufen
    der Treppe hinter sich bringend.
    Er hielt das Schwert in der einen Hand und die Taschenuhr in der an-
    deren.
    … bing, bing, a-bing, kling…
    Mumm rührte sich nicht.
    »Leg das Gfähr beiseite, Hauptmann«, wiederholte Karotte. »Leg es
    weg.«
    »Ich habe genug Geduld, um abzuwarten, bis auch dieses Läuten ver-
    stummt ist«, erwiderte Mumm.
    … a-bing, a-bing…
    »Ich kann es nicht zulassen, Hauptmann. Es wäre Mord.«
    … klong, a-bing …
    »Du wil st mich daran hindern zu schießen?«
    »Ja.«
    … bing… bing…
    Mumm drehte den Kopf.
    »Er hat Angua umgebracht. Bedeutet dir das überhaupt nichts?«
    … bing… bing… bing… bing…
    Karotte nickte.
    »Doch, Hauptmann. Aber zwischen ›persönlich‹ und ›wichtig‹ gibt es
    einen Unterschied.«
    Mumm blickte an seinem Arm entlang. Das von Angst und Schrecken
    gezeichnete Gesicht des obersten Assassinen drehte sich vor dem Lauf
    des Gfährs.
    … bing… bing… bing… bing… bing…
    »Hauptmann Mumm?«
    … bing…
    »Hauptmann? Dienstmarke Nummer 177, Hauptmann. Sie wurde
    noch nie beschädigt.«

    Die im Arm pulsierende Leidenschaft des Gfährs begegnete nun einem
    Heer aus sturen, eigensinnigen Mumms.
    »Leg das Gfähr beiseite, Hauptmann«, sagte Karotte wie zu einem
    Kind. »Du brauchst es überhaupt nicht.«
    Mumm starrte auf das Objekt in seinen Händen. Die fremde Stimme
    war jetzt viel leiser.
    »Weg mit dem Ding, Wächter! Das ist ein Befehl!«
    Das Gfähr fiel auf den Boden. Mumm salutierte – und wurde sich erst
    dann seiner Reaktion bewußt. Er sah Karotte an und blinzelte.
    »Zwischen ›persönlich‹ und ›wichtig‹ gibt es einen Unterschied?« fragte er.
    »Hört mal…«, begann Kreuz. »Das mit der… Bettlerin tut mir leid. Es
    war ein Unfall. Ich wollte nur… Es gibt Beweise! Eindeutige Beweise…«
    Kreuz schenkte den beiden Wächtern kaum mehr Beachtung. Er nahm
    einen Lederbeutel vom Tisch und winkte damit.
    »Hier drin! Es ist alles hier drin, Sire! Beweise! Der dumme Edward
    glaubte, es ginge nur um Kronen und Zeremonien. Er begriff überhaupt
    nicht, was er gefunden hatte! Und dann, in der vergangenen Nacht, wur-
    de mir plötzlich klar…«
    »Ich bin nicht interessiert«, murmelte Mumm.
    »Die Stadt braucht einen König!«
    »Sie braucht keine Mörder«, sagte Karotte.
    »Aber…«
    Kreuz sprang vor und griff nach dem Gfähr.
    Mumm hatte versucht seine Gedanken zu ordnen, dann wieder flohen
    sie in einen entlegenen Winkel seines Bewußtseins. Er blickte in die
    Mündung des Gfährs. Das Ding schien zu grinsen.
    Kreuz sackte an der Säule in sich zusammen, doch die Waffe blieb wei-
    ter auf den Hauptmann gerichtet. Sie zielte von ganz al ein auf ihn.
    »Die Beweise lassen nicht den geringsten Zweifel, Sire. Alles ist nieder-
    geschrieben. Alles. Muttermale, Prophezeiungen, Abstammung und so weiter. Selbst das Schwert wird erwähnt. Dein Schwert!«

    »Im Ernst?« entgegnete Karotte. »Darf

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