Helle Barden
nahmen immer nur Wächter teil, er-
innerte sich Mumm. Manchmal kamen auch Verwandte, wie in diesem
Fal Lady Käsedick und Detritus’ Freundin Rubin. Aber weitere Trauer-
gäste gab es nicht; es fand sich nie eine Menge ein. Viel eicht hatte Karotte recht: Wenn man Wächter wurde, hörte man auf, etwas anderes zu
sein.
Heute al erdings waren mehr Personen zugegen. Ganz gewöhnliche
Bürger standen am Rand des Friedhofs und betrachteten von dort aus
das Geschehen.
Ein kleiner Priester führte ein Man-trage-hier-den-Namen-des-
Verstorbenen-ein-Ritual durch – es sol te in erster Linie eventuell zuhö-
rende Götter zufriedenstel en. Im Anschluß daran ließ Detritus den Sarg
ins Grab hinab, und der Priester warf eine zeremoniel e Handvol Erde
darauf. Allerdings ertönte nicht das übliche dumpfe Prasseln – es
platschte.
Karotte überraschte Mumm, indem er eine Rede hielt. Seine Worte
hal ten über den nassen Boden bis zu den nassen Bäumen. Der Text
beschränkte sich im großen und ganzen auf folgendes: Er war mein
Freund und ein guter Wächter; er gehörte zu uns.
Er war ein guter Wächter. So hieß es immer, wenn ein Wächter beer-
digt wurde. Vermutlich würde man das auch bei Korporal Nobbs Bestat-
tung behaupten, obgleich al e Zuhörer heimlich die Finger kreuzen wür-
den. Man mußte es einfach sagen.
Mumm starrte auf den Sarg hinab. Nach einigen Sekunden regte sich
ein seltsames Gefühl in ihm und entfaltete die gleiche Beharrlichkeit wie der Regen, der ihm unablässig über den Nacken rann. Es war nicht in
dem Sinne ein Verdacht. Wenn das Empfinden lange genug in Mumm
blieb, um dort Wurzeln zu schlagen, mochte es zu einem Verdacht wer-
den, aber derzeit war es eine vage Ahnung.
Er mußte sich danach erkundigen. Wenn er ganz auf Fragen verzichte-
te, dachte er viel eicht für den Rest seines Lebens darüber nach.
Als sie vom Grab fortgingen, beschloß Mumm, doch etwas deutlicher
zu werden. »Korporal?«
»Ja?«
»Niemand hat das Gfähr gefunden, oder?«
»Nein.«
»Wie ich hörte, hattest du es als letzter.«
»Ich muß es irgendwo hingelegt haben. Du weißt ja, wie hektisch es
zuging.«
»Ja. O ja. Wenn ich mich recht entsinne, hast du die wichtigsten Teile
des Gfährs aus dem Gildengebäude mitgenommen…«
»Das stimmt.«
»Ja. Hoffentlich hast du sie an einen sicheren Ort gebracht. Was meinst
du? Befindet sich das Gfähr an einem sicheren Ort?«
Hinter ihnen begann der Totengräber damit, nassen Ankh-Morpork-
Lehm ins Grab zu schaufeln.
»Ich denke schon«, erwiderte Karotte. »Zweifelst du daran? Bisher hat
es niemand gefunden. Ich meine, bestimmt erfahren wir sofort davon,
wenn es jemand entdeckt.«
»Vielleicht ist alles besser so, Korporal Karotte.«
»Ich hoffe es.«
»Knuddel war ein guter Wächter.«
»Ja.«
Mumm wagte sich noch weiter aufs rhetorische Glatteis.
»Sein Sarg… schien ungewöhnlich schwer gewesen zu sein.«
»Tatsächlich? Mir ist nichts aufgefallen.«
»Nun, wenigstens hat er ein richtiges Zwergenbegräbnis.«
»O ja«, bestätigte Karotte. »Dafür habe ich gesorgt.«
Regen strömte über die Dächer des Palastes. Steinerne Figuren ragten an
al en Ecken auf; Mücken und Fliegen flohen aus ihren Ohren.
Korporal Karotte schüttelte die Tropfen von seinem ledernen Umhang
ab und erwiderte den Gruß des Trol wächters. Anschließend schritt er an
den Bediensteten in mehreren Vorzimmern vorbei und klopfte an die
Tür des Rechteckigen Büros.
»Herein.«
Karotte trat ein, ging zum Schreibtisch, salutierte dort und stand dann
bequem.
Lord Vetinari versteifte sich ein wenig.
»Oh«, sagte er. »Korporal Karotte. Ich habe mit… deinem Besuch ge-
rechnet. Bestimmt bist du gekommen, um mir das eine oder andere An-
liegen vorzutragen, nicht wahr?«
Karotte entfaltete ein fleckiges Blatt Papier und räusperte sich.
»Nun, Herr, wir könnten eine neue Holzscheibe brauchen. Für das
Spiel mit den Pfeilen. In unserer Freizeit.«
Der Patrizier blinzelte. Das geschah nicht sehr oft.
»Wie bitte?«
»Eine neue Holzscheibe für das Pfeilwurfspiel, Herr. Das hilft den
Männern, sich nach dem Dienst zu entspannen.«
Vetinari erholte sich ein wenig von der Überraschung.
» Noch eine? Ihr habt doch erst im letzten Jahr eine bekommen!«
»Es liegt am Bibliothekar, Herr! Nobby läßt ihn mitspielen, und er mo-
gelt, indem er sich ein wenig vorbeugt und die Pfeile in die Scheibe hin-
einhämmert. Darunter leidet das Holz.
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