Helle Barden
sich jedoch
nicht um.
»Feldwebel Colon, bitte kehre mit Nobby und Detritus zum Wachhaus
zurück«, sagte er. »Korporal Karotte und Obergefreiter Knuddel – ihr
bleibt bei mir.«
»Zu Be fähl !« erwiderte Feldwebel Colon, stampfte mit dem Fuß auf
und salutierte zackig, um die Assassinen zu verärgern. Mumm erwiderte
den Gruß.
Dann drehte er sich um.
»Ah, Professor Kreuz«, sagte er.
Das Oberhaupt der Assassinengilde war kalkweiß im Gesicht – ein
deutliches Zeichen seines Zorns. Die Blässe kontrastierte seine schwarze
Kleidung.
»Niemand hat euch gerufen!« zischte Kreuz. »Wer gibt dir das Recht,
dich an diesem Ort aufzuhalten, Wächter? Wieso schreitest du durch die
Gegend, als wäre das hier dein persönliches Eigentum?«
Mumm zögerte und juchzte innerlich. Er genoß diesen Augenblick. Er
hätte ihn gern genommen und in ein großes Buch gelegt, um ihn gele-
gentlich hervorzuholen und sich an al e Einzelheiten zu erinnern.
Er griff in den Brustharnisch und hielt zwei Sekunden später einen
Brief von Anwalt Tagscheu in der Hand.
»Wenn du den wesentlichen Grund erfahren möchtest…«, erwiderte
er. »Hier gehört mir tatsächlich alles.«
Man kann jemanden beschreiben, indem man die Dinge aufzählt, die
der Betreffende verabscheut. Hauptmann Mumm verabscheute eine
Menge. Assassinen standen fast ganz oben auf der Liste, sofort hinter
Königen und Untoten.
Er mußte sich al erdings eingestehen, daß sich Professor Kreuz sehr
schnel von der Überraschung erholte. Er explodierte nicht, als er den
Brief las; er erhob keine Einwände, behauptete nicht einmal, daß es sich
um eine Fälschung handelte. Er faltete ihn einfach zusammen, gab ihn
zurück und sagte kühl: »Ich verstehe. Grundbesitz, nicht wahr? Auch die
Gebäude?«
»In der Tat. Würdest du mir jetzt bitte sagen, was hier passiert ist?«
Mumm sah einige andere hochrangige Assassinen durch das Loch in
der Wand auf den Hof treten. Sie schienen in den Trümmern nach etwas
zu suchen.
Professor Kreuz zögerte zwei oder drei Sekunden lang.
»Feuerwerkskörper«, sagte er.
»Folgendes ist geschehen«, sagte Gaspode. »Jemand hat einen Drachen
in eine Kiste gestopft und diese an die Wand des Gildengebäudes ge-
stellt. Dann versteckte sich der Bursche hinter einer Statue, zog an einem Strick und… Bumm!«
»Bumm?«
»Genau. Unser Freund springt durch das Loch, kommt kurze Zeit spä-
ter wieder zum Vorschein und rennt über den Hof. Von einem Augen-
blick zum anderen wimmelt’s überall von Assassinen, und er ist mitten
unter ihnen. Wem fäl t schon ein schwarzgekleideter Mann unter
schwarzgekleideten Männern auf.«
»Ist er noch immer da?«
»Woher sol ich das wissen? An schwarzen Kapuzenmänteln herrscht
da drüben kein Mangel…«
»Wieso hast du das alles gesehen?«
»Oh, am Mittwochabend mache ich immer einen Abstecher zur Assas-
sinengilde. Verschiedenes vom Grill, verstehst du?« Gaspode seufzte, als
er die Verwirrung in Anguas Gesicht sah. »Am Mittwochabend brät der
Koch immer dies und das – ›Verschiedenes vom Grill‹. Und stets bleibt
die Blutwurst übrig. Ich gehe zur Küche, und dort spielt sich alles so ab: Wuff-wuff, bettel, bettel, o sieh nur den Hund, sitzt dort ganz brav,
scheint jedes Wort zu verstehen, der Köter, mal sehen, was wir für ihn
haben…«
Verlegen senkte er den Kopf.
»Stolz ist eine Sache, Wurst eine ganz andere«, fügte er hinzu.
»Feuerwerkskörper?« wiederholte Mumm.
Professor Kreuz wirkte wie jemand, der im sturmgepeitschten Meer die
Hände nach einem vorbeitreibenden Baumstamm ausstreckt.
»Ja. Feuerwerkskörper. Zum Anlaß des… äh… Gründungstags. Leider
hat jemand ein brennendes Streichholz weggeworfen, wodurch die Böller
al e auf einmal hochgingen.« Professor Kreuz lächelte plötzlich. »Tja,
mein lieber Hauptmann Mumm…« Er klatschte in die Hände. »Ich weiß
deine Besorgnis natürlich zu schätzen, aber…«
»Die Feuerwerkskörper lagerten in dem Zimmer dort drüben?« fragte
Mumm.
»Ja, doch das spielt eigentlich keine Rolle…«
Mumm trat an das Loch in der Wand und blickte in den Raum. Zwei
Assassinen sahen zu Kreuz hinüber und tasteten unauffäl ig nach be-
stimmten Stel en an ihrer schwarzen Kleidung.
Das Oberhaupt der Gilde schüttelte den Kopf. Seine Vorsicht mochte
etwas damit zu tun haben, daß Karotte die rechte Hand aufs Schwertheft
legte. Viel eicht lag es auch einfach am Ehrenkodex der Assassinen:
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