Helle Barden
Miete. Außerdem hatte Frau Kuchen Verständnis für Leute,
die ein ungewöhnliches Leben lebten und keinen Knoblauch mochten.
Ihre Tochter war ein Werwolf, und deshalb wußte sie um den Nutzen
von Erdgeschoßfenstern und langen Türklinken, die auch Pfoten hand-
haben konnten.
»Er trägt ein Kettenhemd«, sagte Frau Kuchen. In einer Hand hielt sie
einen Eimer mit Kies. »Und er hat Seife in den Ohren.«
»Oh. Äh. Gut.«
»Isch schicke ihn weg, wenn du möchtest«, bot sich Frau Kuchen an.
»Das mache isch immer, wenn hier die falschen Leute aufkreuzen. Damit
meine ich insbesondere Burschen mit Pflöcken. Kann sie nicht ausste-
hen. Und ich mag’s nicht, wenn Besucher mit brennenden Fackeln und
Kruzifixen durch die Flure stapfen.«
* Normalerweise fragen Hauswirtinnen: »Bist du salonfähig?« Aber Frau Ku-
chen kannte ihre Mieter.
** Sie waren braun.
*** Und Braun.
»Ich glaube, ich weiß, wer es ist«, sagte Angua. »Ich kümmere mich um
ihn.«
Sie knöpfte ihr Hemd zu.
»Schließ die Tür, wenn du das Haus verläßt!« rief ihr Frau Kuchen
nach, als Angua durch den Korridor eilte. »Isch wechsle jetzt die Erde in Herrn Winkings’ Sarg. Leidet wieder an Rückenschmerzen, der arme
Kerl.«
»Erde?« wiederholte Angua. Sie warf einen Blick über ihre Schulter.
»Sieht wie Kies aus.«
»Hat orthopädische Wirkung.«
Karotte stand respektvoll in der Tür, den Helm unterm Arm und Ver-
legenheit im Gesicht.
»Nun?« fragte Angua nicht unhöflich.
»Äh. Guten Morgen. Ich dachte, du weißt schon, vielleicht, du hast
noch nicht viel von der Stadt gesehen, ich meine. Ich könnte, wenn du
möchtest, wenn du nichts dagegen hast, ich meine, wir haben beide
dienstfrei, und… ich könnte dir Ankh-Morpork zeigen…«
Einige Sekunden lang glaubte Angua, etwas von Frau Kuchens Vorah-
nung habe auf sie abgefärbt. Verschiedene Zukunftsalternativen zeichne-
ten sich vor ihrem inneren Auge ab.
»Ich habe noch nicht gefrühstückt«, sagte sie.
»Ich kenne ein Lokal, wo man ausgezeichnet frühstücken kann«, erwi-
derte Karotte sofort. »Gimlets Feinkostbude in der Ankertaugasse.«
»Es ist Mittag.«
»Für Mitglieder der Nachtwache genau die richtige Zeit zum Frühstük-
ken.«
»Ich bin praktisch Vegetarierin.«
»Gimlet bietet auch Sojaratte an.«
Angua gab nach. »Ich hole meine Jacke.«
»Har, har«, erklang eine zynische Stimme.*
* Jacke = »coat«, bedeutet nicht nur Mantel, sondern auch (Hunde-)Fell. (Anm.
d. Übers.)
Sie senkte den Kopf. Gaspode saß hinter Karotte und versuchte, spöt-
tisch zu blicken, während er sich nahezu verzweifelt kratzte.
»In der vergangenen Nacht haben wir Katzen gejagt«, sagte Gaspode.
»Du und ich. Verstehste? Das Schicksal hat uns zusammengeführt.«
»Geh weg .«
»Wie bitte?« fragte Karotte.
»Ich meine den Hund.«
Karotte drehte sich um.
»Stört er dich? Ist doch ein lieber Kerl.«
»Wuff, wuff. Keks.«
Karotte klopfte automatisch auf seine Taschen.
»Siehst du?« ließ sich Gaspode vernehmen. »Herr Simpel, stimmt’s?«
»Sind Hunde in Zwergenlokalen erlaubt?« fragte Angua.
»Nein«, sagte Karotte.
»Nur im Backofen«, meinte Gaspode.
»Ach?« erwiderte Angua. »Klingt gut. Gehen wir.«
»Vegetarierin, wie?« grummelte Gaspode und watschelte hinter ihnen
her. »Meine Güte…«
»Sei still.«
»Was?« fragte Karotte erstaunt.
»Ich habe nur laut gedacht.«
Mumms Kissen war kalt und hart. Er befühlte es vorsichtig. Das Kissen
war kalt und hart, weil es ein Tisch war. Seine Wange schien daran fest-
zukleben, und Mumm wol te gar nicht wissen, was dafür verantwortlich
war. Er trug noch immer die Uniform.
Nach einer Weile gelang es ihm, ein Auge zu öffnen.
Er hatte in sein Notizbuch geschrieben und versucht, einen Sinn in den
jüngsten Ereignissen zu erkennen. Dann war er eingeschlafen.
Wie spät mochte es sein? Er fand nicht die Kraft, einen Blick auf die
Sanduhr am Gürtel zu werfen.
Gekritzelte Buchstaben weckten seine Aufmerksamkeit.
Von der Assassinengilde geschtolen: Gefähr. > Hammerhock ermordet. Geruch von Foierwerkskörpern. Bleiklumpen. Alchemische Symbole. 2te Leiche in Fluß.
Ein Clown. Wo war seine rote Nase? Weg.
Mumm starrte auf seine eigene Handschrift.
Ich bin auf dem richtigen Weg, dachte er. Ich brauche mir keine Ge-
danken darüber zu machen, wohin der Weg führt; ich muß nur seinem
Verlauf folgen. Es gibt immer ein Verbrechen, wenn man nur sorgfältig
genug nachforscht.
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