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Helle Barden

Helle Barden

Titel: Helle Barden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Waschbecken,
    auf dem ein Rasiermesser lag, sorgfältig mittwärts ausgerichtet – offenbar teilte Hauptmann Mumm den Volksglauben, daß dadurch die Klinge
    scharf blieb –, ein brauner Holzstuhl mit gebrochener Sitzfläche und
    eine kleine Truhe. Das war al es.
    »Ich hätte wenigstens mit einem Bettvorleger gerechnet«, sagte Angua.
    »Oder mit einem Bild an der Wand.«
    Karotte legte Mumm aufs Bett, wo er sofort in die richtige Position
    rutschte.
    »Was ist mit deinem Zimmer?« fragte die junge Frau. »Hast du dort et-
    was Persönliches?«
    »Ja. Ein Schnittdiagramm vom fünften Stollen daheim. Der hat sehr in-
    teressante Gesteinsschichten. Ich habe dabei geholfen, den Stollen anzu-
    legen. Außerdem habe ich Bücher und andere Sachen. Eigentlich hält
    sich der Hauptmann hier nur selten auf. Er ist die meiste Zeit über un-
    terwegs.«
    »Aber hier gibt es nicht einmal eine Kerze!«
    »Er hat mal gesagt, daß er den Weg zum Bett auch im Dunkeln findet.«
    »Und kein einziger Ziergegenstand!«
    »Unter dem Bett liegt ein großes Stück Pappe«, meinte Karotte. »Er
    hat’s in der Filigranstraße gefunden. Ich erinnere mich daran. Bei der

    Gelegenheit sagte er: ›Daraus lassen sich Sohlen anfertigen, die minde-
    stens einen Monat halten.‹ Er hat sich sehr darüber gefreut.«
    »Er kann sich nicht einmal ordentliche Stiefel leisten?«
    »Ich glaube doch. Lady Sybil hat ihm mehrmals angeboten, ihm so vie-
    le neue Stiefel zu kaufen, wie er möchte, aber dieses Angebot schien ihn
    fast zu beleidigen. Offenbar wollte er sein Schuhwerk möglichst lange
    verwenden.«
    »Aber auch du kannst dir Stiefel kaufen, obwohl du weniger verdienst.
    Und du schickst noch Geld nach Hause. Wahrscheinlich versäuft der Idiot alles.«
    »Das bezweifle ich. Seit Monaten hat er nichts mehr getrunken. Lady
    Sybil hat ihn dazu gebracht, auf Zigarren umzusteigen.«
    Mumm schnarchte laut.
    »Kann man so jemanden bewundern?«
    »Er ist ein guter Mann«, erwiderte Karotte.
    Mit dem Fuß hob Angua den Deckel der kleinen Holztruhe.
    »Das solltest du besser lassen«, mahnte der junge Mann.
    »Ich werfe nur einen Blick hinein«, sagte Angua. »Das ist doch nicht
    verboten, oder?«
    »Nach dem 1467 erlassenen Gesetz zur Regelung der Privatsphäre…«
    »Da liegen nur alte Stiefel und solche Sachen drin. Und Papier.« Angua
    bückte sich und griff nach etwas, das wohl ein Buch sein sol te. Es war
    ein Bündel unterschiedlich großer Blätter, die zwischen zwei Pappdek-
    keln steckten.
    »Das gehört dem Hauptmann…«
    Angua öffnete das Buch und las einige Zeilen. Ihre Augen wurden
    immer größer.
    »Sieh dir das an! Kein Wunder, daß er kein Geld hat.«
    »Was meinst du?«
    »Er gibt seinen Sold für Frauen aus! Ist das zu fassen? Sieh dir diese
    Einträge an. Vier in einer Woche!«

    Karotte sah seiner Kol egin über die Schulter, während Mumm weiter-
    schnarchte.
    In der krakeligen Handschrift des Hauptmanns offenbarte das Buch
    folgende Liste:

    Frau Schenkel, Zimperlichgasse: 5 $
    Frau Hurtig, Sirupstraße: 4 $
    Frau Kastanie, Kohlkrautgasse: 4 $
    Annabel Curry, Tölpelpflaster: 2 $

    »Mit Annabel Curry kann nicht viel los gewesen sein«, sagte Angua. »Sie
    hat nur zwei Dollar bekommen.«
    Die Temperatur im Zimmer schien plötzlich zu sinken.
    »Da hast du recht«, erwiderte Karotte langsam. »Immerhin ist Annabel
    erst neun Jahre alt.« Mit der einen Hand griff er nach Anguas Arm, mit
    der anderen zog er ihr das Buch aus den Fingern.
    »He, laß los!«
    »Feldwebel!« rief Karotte über die Schulter. »Würdest du bitte mal
    kommen?«
    Angua versuchte, sich loszureißen. Aber Karottes Hand war ein
    Schraubstock.
    Die Treppenstufen knirschten unter Colons Schritten, und kurz darauf
    öffnete sich die Tür.
    Er hielt einen kleinen Becher mit einer Zange.
    »Nobby hat den Kaffee gebr…«, begann er und brach dann ab.
    Karotte bedachte die junge Frau mit einem strengen Blick. »Feldwebel,
    Obergefreite Angua würde gern über Frau Schenkel Bescheid wissen.«
    »Die Witwe des alten Laufviel Schenkel? Wohnt in der Zimperlichgas-
    se.«
    »Und Frau Hurtig?«

    »Die in der Sirupstraße? Ist Wäscherin geworden.« Feldwebel Colon
    musterte die beiden jungen Leute und versuchte, ein Gefühl für die Si-
    tuation zu bekommen.
    »Und Frau Kastanie?«
    »Die Witwe von Feldwebel Kastanie. Verkauft Kohle in…«
    »Und Annabel Curry?«
    »Sie besucht noch immer die Barmherzigkeitsschule der Gehässigen
    Schwestern des siebenhändigen Sek.«

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