Helle Barden
Colon sah Angua an und lächelte
nervös – er hatte noch immer keinen Schimmer, was dies al es zu bedeu-
ten hatte. »Sie ist die Tochter von Korporal Curry, aber das war vor dei-
ner Zeit…«
Angua musterte Karotte; dessen Gesicht blieb ausdruckslos.
»Die Witwen von Wächtern?« erkundigte sie sich.
Karotte nickte. »Und eine Waise.«
»Ist ein hartes Leben«, sagte Colon. »Witwen bekommen keine Pensi-
on.«
Wieder huschte sein Blick zwischen Angua und Karotte hin und her.
»Stimmt was nicht?« fragte er.
Karotte ließ die junge Frau los, legte das Buch in die Truhe und schloß
den Deckel.
»Alles in Ordnung«, sagte er.
»Es tut mir l…«, begann Angua. Karotte ignorierte sie und nickte dem
Feldwebel zu.
»Gib ihm den Kaffee.«
»Aber… vierzehn Dollar… das ist fast der halbe Sold!«
Karotte griff nach Mumms schlaffem Arm und versuchte, die immer
noch gebal te Faust zu öffnen – vergeblich. Der Hauptmann schlief zwar
tief und fest, aber seine Hand blieb wie im Krampf geschlossen.
»Ich meine, der halbe Sold!«
»Was er da wohl so verzweifelt festhält?« murmelte Karotte. »Vielleicht
gibt es uns einen Hinweis.«
Er nahm den Kaffee und zog Mumm am Kragen hoch.
»Trink das, Hauptmann«, sagte er. »Dann sieht alles viel… klarer aus.«
Klatschianischer Kaffee wirkt ernüchternder als der überraschende Be-
such von Steuerfahndern. Kaffeeliebhaber verzichten nie auf die Vor-
sichtsmaßnahme, ordentlich betrunken zu sein, bevor sie von dieser ganz
speziel en Spezialität kosten. Klatschianischer Kaffee macht nicht nur
nüchtern. Er bringt einen auf die andere Seite der Nüchternheit, wo das menschliche Bewußtsein nie weilen sollte. Nach Nobbys und Colons
Ansicht war Samuel Mumm normalerweise mindestens zwei Drinks im
Minus, und brauchte einen ordentlichen Doppelten, um auch nur nüchtern zu werden.
»Langsam… langsam…« Karotte ließ einige Tropfen zwischen
Mumms Lippen fal en.
Angua nahm einen neuerlichen Anlauf. »Hör mal, als ich vorhin sag-
te…«
»Schon gut.« Karotte drehte sich nicht einmal um.
»Ich wollte nur…«
»Schon gut .«
Mumm öffnete die Augen, erblickte die Welt und schrie.
»Nobby!« rief Colon.
»Ja, Feldwebel?«
»Was hast du besorgt? Heiße Rote Wüste oder Ringelberg Pur?«
»Rote Wüste, Feldwebel. Weil…«
»Darauf hättest du gleich hinweisen sol en.« Colon blickte in das von
Entsetzen geprägte Gesicht des Hauptmanns. »Hol ein halbes Glas Bär-
drückers Leckertropfen. Wir haben ihn zu weit auf die andere Seite ge-
schickt.«
Das Glas wurde geholt und sein Inhalt als Medizin verabreicht. Mumm
entspannte sich, als die Flüssigkeit ihre Wirkung entfaltete.
Die bisher zur Faust gebal te Hand öffnete sich.
»Bei allen Göttern«, ächzte Angua. »Gibt es hier Verbandszeug?«
Der Himmel war eine kleine weiße Scheibe weit oben.
»Meine Güte, wo sind wir hier, Partner?« fragte Knuddel.
»In Höhle.«
»Unter Ankh-Morpork gibt es keine Höhlen. Die Stadt wurde auf
Lehm errichtet.«
Knuddel war etwa drei Meter tief gefal en und auf Detritus’ Kopf ge-
landet, was den Aufpral ein wenig gemildert hatte. Der Troll hatte auf
dem Boden gesessen, umgeben von verfaultem Holz, in… in einer Höh-
le. Das war Knuddels erster Eindruck. Als sich seine Augen ans Halb-
dunkel gewöhnt hatten, revidierte er ihn. Sie schienen in einem von Stei-
nen gesäumten Tunnel zu sein.
»Ich nichts getan«, sagte Detritus. »Ich einfach nur gestanden, dann
plötzlich al es saust nach oben.«
Knuddel griff in den Schlamm und hob ein Stück Holz hoch. Es war
sehr dick – und sehr morsch.
»Wir sind durch etwas in etwas gefallen«, sagte er und strich mit der
Hand über die gewölbte Tunnelwand. »Das nenne ich gute Maurerarbeit.
Wirklich gut.«
»Wie können wir verlassen diesen Ort?«
Es gab keine Möglichkeit, nach oben zu klettern. Die Decke wölbte
sich ein ganzes Stück über Detritus’ Kopf.
»Indem wir dem Verlauf dieses Tunnels folgen, schätze ich«, erwiderte
Knuddel.
Er atmete die feuchte Luft mehrmals tief ein und schnupperte. Unter
Tage haben Zwerge einen guten Orientierungssinn.
»Hier entlang«, sagte er und ging los.
»Knuddel?«
»Ja?«
»Niemand jemals darauf hingewiesen hat, daß es gibt Tunnel unter der
Stadt.«
»Ja. Und?«
»Daher kein Ausgang. Weg hinaus bedeutet auch Weg hinein, und
wenn niemand hiervon wissen, so deshalb, weil gibt nicht Zugang.«
»Aber dieser Tunnel führt
Weitere Kostenlose Bücher