Helle Barden
wird von diesem Vorfall erfahren.«
»Ja«, erwiderte Karotte. »Ich erstatte ihm Bericht.«
»Es ist mir ein Rätsel, warum ihr mich stört, obwohl es in der Stadt drunter und drüber geht.«
»Darum kümmern wir uns später. Hauptmann Mumm hat mich mehrmals darauf hingewiesen, daß es große und kleine Verbrechen gibt. Manchmal wirken die kleinen Verbrechen sehr groß, und die großen sind kaum zu erkennen. Es ist wichtig, zwischen ihnen zu unterscheiden.«
Sie musterten sich gegenseitig.
»Also?« fragte Herr Weißgesicht scharf.
»Ich möchte von dir wissen, was vorgestern abend in diesem Gildenhaus geschah«, sagte Karotte.
Das Gildenoberhaupt sah ihn groß an.
»Und wenn ich keine Auskunft gebe?«
Karotte holte tief Luft. »Dann bleibt mir zu
meinem großen
Bedauern nichts anderes übrig, als dem Befehl zu gehorchen, den ich auf dem Weg hierher bekam.«
Er wandte sich an Colon. »Das stimmt doch, Feldwebel?«
»Was? Wie? Oh, ja…«
»Es behagt mir ganz und gar nicht«, fügte Karotte hinzu. »Aber wenn ich keine Wahl habe…«
Herrn Weißgesichts Blicke durchbohrten Karotte und Colon.
»Dies ist Gildenterritorium! Du hast kein Recht, hier…«
»Davon weiß ich nichts«, sagte Karotte. »Ich bin nur ein einfacher Korporal. Bisher habe ich allen Befehlen gehorcht, und ich betone noch einmal: Auch in diesem Fall werde ich mich voll und ganz an meine Anweisungen halten.«
»Jetzt hör mal…«
Karotte schob sich ein wenig näher.
»Wenn’s dich tröstet: Wahrscheinlich schäme ich mich später dafür.«
Weißgesicht starrte in Karottes Augen, und wie alle anderen sah er darin nur Wahrheit.
»Wenn ich rufe…« Unter der Schminke lief Weißgesicht rot an. »…dann wimmelt’s hier wenige Sekunden später von meinen Leuten.«
»Das macht es mir nur leichter, dem Befehl zu gehorchen«, gab Karotte zurück.
Herr Weißgesicht war stolz auf seine Fähigkeit, Charakter und Wesen von Personen beurteilen zu können. In Karottes Gesicht sah er nichts als absolute Aufrichtigkeit. Er betastete einen Federkiel und warf ihn dann wütend zu Boden.
»Verflixt!« entfuhr es ihm. »Wie hast du es herausgefunden? Wer hat dir davon erzählt?«
»Niemand«, sagte Karotte. »Doch es gibt keine andere Erklärung. Jede Gilde verfügt nur über einen Eingang, aber die Häuser stehen Rücken an Rücken. Ein Loch in der Wand genügt.«
»Ich versichere dir, daß wir nichts davon wußten«, meinte Weißgesicht.
Feldwebel Colon konnte es kaum fassen. Er hatte Spieler mit schlechten Karten bluffen sehen, aber hier bluffte jemand
ohne
Karten.
»Zunächst hielten wir die Sache für einen Scherz«, fuhr Weißgesicht fort. »Wir dachten, der junge Beano hätte humorvolle Absichten. Wir glaubten es, bis man ihn tot fand. Und dann…«
Die übrigen Wächter lümmelten sich auf dem Hof.
»Korporal Nobbs?«
»Ja, Obergefreiter Knuddel?«
»Was
munkelt
man über Zwerge?«
»Du willst mich wohl auf den Arm nehmen«, entgegnete Nobby. »Das weiß
jeder,
der sich auch nur
ein wenig
mit Zwergen auskennt.«
Knuddel hüstelte.
»Nur die Zwerge nicht«, sagte er.
»Was soll das heißen?«
»Niemand hat
uns
gesagt, was man über Zwerge munkelt«, meinte Knuddel.
»Nun… äh.« Nobby zögerte. »Vielleicht dachten die Leute, daß ihr’s längst wißt.«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Oh, na
schön
.« Er sah kurz zu den Trollen, beugte sich dann zu Knuddel und flüsterte dort, wo er das Ohr vermutete.
Der Zwerg nickte.
»Und das ist alles?«
»Ja. Äh. Stimmt es?«
»Was? O ja. Natürlich. Das liegt in der Natur von Zwergen. Einige haben natürlich mehr als andere.«
»Das ist überall so«, sagte Nobby.
»Ich selbst habe mehr als achtundsiebzig Dollar gespart.«
»
Nein!
Ich meine… nein. Ich meinte nicht, ›gut ausgestattet‹ mit Geld. Ich meine…« Nobby flüsterte erneut. Knuddels Miene veränderte sich nicht.
Nobbs hob und senkte die Brauen. »Stimmt’s?«
»Woher soll ich wissen, wieviel bei Menschen üblich ist?«
Nobby gab auf. »An einer Sache kann wenigstens kein Zweifel bestehen«, sagte er. »Ihr Zwerge liebt Gold, nicht wahr?«
»So ein Unsinn – natürlich nicht.«
»Ach?«
»Das behaupten wir nur, um ins Bett zu kommen.«
Es war im Zimmer eines Clowns. Colon hatte sich schon öfter gefragt, wie es im Heim eines Clowns aussah, und nun stellte er fest, daß nichts fehlte: Der übergroße Schuhspanner war ebenso vorhanden wie die extra breite Hosenpresse, ein von Kerzen gesäumter
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