Hell's Angels (German Edition)
Oder es interessierte zu wenige von ihnen. Und selbst heute interessieren sie sich nicht alle dafür.
Die Bürde des Ruhms aber ließ die Angels sehr genau auf ihr Image achten: Sie fingen an, auf Politikerart Zeitung zu lesen, nach Erwähnungen dessen zu suchen, was sie gesagt und getan hatten. Und als sie dann mehr und mehr mit der Presse zu tun bekamen, bat man sie zwangsläufig, zu aktuellen Themen Stellung zu beziehen. (»Sagen Sie mal, Sonny, haben die Hell’s Angels eine Meinung zum Krieg in Vietnam?« ... »Was halten Sie von der Bürgerrechtsbewegung, Tiny?«) Die Antworten waren guter Stoff, und es dauerte nicht mehr lange, bis die Angels feststellten, dass sie tatsächlich Pressekonferenzen 58 einberufen konnten, komplett mit Fernsehkameras, um die unterschiedlichsten Tiraden und Erklärungen vom Stapel zu lassen. Die Medien fanden das großartig. Zwar waren viele Berichte über die Angels ausgesprochen humorvoll formuliert, aber die Outlaws bemerkten das nie. Es war für sie ein Heidenspaß, sich selbst im Fernsehen zu sehen, und als es erst einmal so weit war, war ideologisches Abweichlertum innerhalb des Clubs kein Thema mehr. Barger und die anderen Offiziere sprachen für die ganze Organisation, und wer anderer Meinung war als sie, konnte seine
Kutte an den Nagel hängen. Das tat natürlich keiner, auch wenn Barger und zwei, drei weitere die einzigen Angels mit so etwas wie politischem Bewusstsein waren. Aber wenn Sonny ein Hühnchen zu rupfen hatte mit irgendwelchen kommunistisch angehauchten Demonstranten, dann hatten sie, bei Gott, alle ein Hühnchen zu rupfen mit denen. So lief das ab. Ende 1965 gab es jedoch leise Anzeichen dafür, dass die Atmosphäre in La Honda allmählich Wirkung bei ihnen zeigte. Etliche Wochen vor der politischen Krise saß Terry eines Nachmittags im El Adobe, trank ein Bier und sprach nachdenklich über die Unterschiede zwischen den Angels und den Hipster-Radikalen, mit denen er Partys gefeiert hatte: »Weißt du, manchmal glaube ich, wir machen was falsch«, sagte er. »Die anderen Typen da stellen wenigstens was auf die Beine. Das sind auch Versager, aber die sind konstruktiv. Wir sind viel zu negativ. Unser ganzes Ding ist destruktiv. Ich seh echt keinen Ausweg für uns, wenn wir nicht irgendwas anderes finden, außer immer alles kaputtzumachen.«
Sechs Monate zuvor hatte die einzige wahre Sorge der Angels darin bestanden, nicht eingebuchtet zu werden, aber jetzt waren sie engagiert und mussten mit anderen engagierten Leuten in irgendwelchen Versammlungen hocken. Einige wenige Outlaws blühten bei dieser Sache regelrecht auf, aber den meisten war es nur langweilig. Und denen, die auf zehn oder mehr Jahre feindseliger Isolation zurückblicken konnten, erschien es wie das Ende einer Epoche.
Es ist kein unsinnigeres Verfahren denkbar als jenes, das die Gesellschaft im Umgang mit dem Kriminellen
entwickelt hat. Sie sagt seine Laufbahn mit solcher Eindringlichkeit und Dramatik voraus, dass sowohl er als auch die Gemeinschaft schließlich glauben, es könne gar nicht anders kommen. Er wird sich seiner Rolle als Krimineller bewusst, und die Gemeinschaft erwartet, dass er seinem Ruf gerecht wird, und wenn er es nicht wird, schenkt sie ihm keinen Glauben.
– Frank Tannenbaum, Crime and the Community
Die Hell’s Angels sind keineswegs Missgeburten, sondern vielmehr ein logisches Produkt eben jener Kultur, die nun behauptet, über ihre Existenz entsetzt zu sein. Die von den Herausgebern des Time Magazine repräsentierte Generation lebt schon so lange in einer Welt voller Leinwand-Outlaws, die nebenbei Zahnpasta und Haaröl unters Volk bringen, dass sie es nicht mehr wagt, sich der Realität zu stellen. Zwanzig Jahre lang haben sie mit ihren Kindern dagehockt und sich angesehen, wie die Outlaws von gestern Kleinholz aus der Welt von gestern machten – und nun ziehen sie Kinder groß, die glauben, Jesse James wäre eine Fernsehfigur. Das ist die Generation, die für Mom, den lieben Gott und Apfelkonfitüre in den Krieg zog – für den American Way of Life. Als sie heimkehrten, krönten sie Eisenhower und zogen sich dann in die banale Behaglichkeit ihrer Fernsehzimmer zurück, um sich in die Feinheiten der amerikanischen Geschichte zu vertiefen, wie Hollywood sie sah.
Ihnen muss das Auftauchen der Angels wie ein fabelhafter Publicitytrick erschienen sein. In einer Nation verängstigter Dummköpfe herrscht ein bedauerlicher Mangel an Outlaws, und die wenigen, die den
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