Hell's Angels (German Edition)
des Unheils. Auf der anderen Seite der Bucht, in Oakland, waren die Reaktionen gemischter. Nachdem die Presse sie sieben Jahre lang praktisch ignoriert hatte, waren die East-Bay-Outlaws eher neugierig als argwöhnisch – einmal abgesehen von den Neuankömmlingen, zumal denen aus Berdoo. Sie waren nach Oakland gezogen, um dort Zuflucht zu suchen, nicht Publicity, und ein Pressefotograf war das Letzte, was sie gebrauchen konnten. Etliche von ihnen wurden in Südkalifornien wegen Diebstahls, Körperverletzung oder Nichterfüllung von Unterhaltspflichten polizeilich gesucht. Selbst ein zufälliger Schnappschuss oder ein achtlos quer über einen Parkplatz gerufener Name konnte eine Kette von Ereignissen auslösen, die sie letztlich hinter Gitter brachte; ein in Oakland aufgenommenes Foto oder ein Interview, in dem Namen genannt
wurden, konnte von einer Nachrichtenagentur übernommen und am nächsten Morgen in San Bernardino veröffentlicht werden. Anschließend wäre es dann nur eine Frage von Stunden, bis die Verfolger die Spur wieder aufnahmen.
Die Publicity hatte auch negative Auswirkungen auf ihre Beschäftigungslage. Ende 1964 waren gut zwei Drittel der Outlaws berufstätig, ein Jahr später war diese Zahl auf knapp ein Drittel gesunken. Terry hatte ein paar Tage, nachdem der Artikel in True erschienen war, 7 seinen Job am Fließband bei General Motors durch fristlose Kündigung verloren. »Die haben mir einfach nur gesagt, ich soll mir einen anderen Job suchen«, erzählte er mit einem Achselzucken. »Sie haben mir keinen Grund genannt, aber meine Kollegen haben mir erzählt, der Vorarbeiter wär entsetzt gewesen über den Artikel. Er hat einen Typ gefragt, ob der schon mal gesehen hätte, dass ich Dope nehme, und ob ich jemals über Gruppenvergewaltigungen geredet hätte – dieser ganze Schwachsinn. Die Gewerkschaft sagt, sie wird was dagegen unternehmen, aber was soll’s. Ich kann meine Kohle auch anders verdienen.«
Motorrad-Outlaws sind auf dem Arbeitsmarkt nicht sonderlich gefragt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, beziehen selbst diejenigen von ihnen, die über vermarktbare Fähigkeiten verfügen, lieber Arbeitslosengeld – was ihnen die nötige Muße gibt, um lange zu schlafen, viel Zeit auf ihre Motorräder zu verwenden und freiberuflich tätig zu werden, wenn sie nebenbei ein bisschen Bargeld verdienen wollen. Einige betätigen sich als Einbrecher, andere zerlegen Autos, klauen Motorräder oder arbeiten als Gelegenheitszuhälter. Viele werden von ihren berufstätigen
Frauen oder Freundinnen unterstützt, die als Sekretärinnen, Kellnerinnen oder Nachtclubtänzerinnen gut verdienen. Einige jüngere Outlaws wohnen noch bei ihren Eltern, reden aber nicht gerne darüber und gehen nur nach Hause, wenn es unbedingt sein muss – um einen Rausch auszuschlafen, den Kühlschrank leer zu räumen oder ein paar Dollar aus dem Familiensparschwein zu mopsen. Angels, die berufstätig sind, arbeiten entweder Teilzeit oder lassen sich von Job zu Job treiben, verdienen in der einen Woche gutes Geld und in der nächsten keinen Cent.
Sie sind Hafenarbeiter, Lagerarbeiter, Lastwagenfahrer, Mechaniker, Verkäufer oder Gelegenheitsarbeiter bei Jobs, bei denen man schnell an sein Geld kommt und keine Verpflichtungen eingeht. Etwa jeder Zehnte von ihnen hat eine feste Stelle oder ein anständiges Einkommen. Skip aus Oakland arbeitet bei der Endabnahme an einem Montageband bei General Motors und verdient knapp zweihundert Dollar die Woche; er besitzt ein Eigenheim und spekuliert sogar ein wenig an der Börse. Tiny, der Sergeant at Arms und Chef-Schläger des Oakland-Chapters, ist »Darlehenssachbearbeiter« bei einer örtlichen Fernsehhändlerkette. Er besitzt einen Cadillac und bekommt hundertfünfzig Dollar die Woche dafür, dass er Leute mahnt, die mit ihren Ratenzahlungen in Rückstand geraten sind. 8 »In dieser Branche haben wir es mit vielen Asozialen zu tun«, erzählt er. »Normalerweise rufe ich erst mal bei denen an. Ich rede ganz geschäftsmäßig, bis ich mir sicher bin, dass ich den richtigen Typ am Apparat
habe. Dann sage ich: ›Hör mir zu, du Drecksau, ich gebe dir noch vierundzwanzig Stunden, dann stehst du mit dem Geld hier auf der Matte.‹ Dann kriegen sie meist eine Scheißangst und zahlen sofort. Wenn nicht, fahre ich hin und trete da gegen die Tür, bis einer aufmacht. Hin und wieder hab ich’s mit einem Klugscheißer zu tun, der versuchen will, mich an der Nase rumzuführen. Dann schnappe ich mir
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