Hell's Angels (German Edition)
seine Kanone, und er verwöhnt es, wie ein vollbusiges Hollywood-Starlet ihren Körper. Ohne seine Maschine ist er weiter nichts als ein Typ aus der Gosse. Und das weiß er. Die Angels sind nicht besonders redegewandt, was die meisten Dinge betrifft, aber wenn es um Motorräder geht, widmen sie sich dem Thema mit der Inbrunst eines Liebhabers. Sonny Barger, ein Mann, der nicht zu sentimentalem Geschwafel neigt, hat den Begriff »Liebe« einmal definiert als »das, was du fühlst, wenn du etwas genauso sehr magst wie dein Motorrad. Ja, ich glaube, man könnte sagen, das ist dann Liebe«.
Der Umstand, dass viele Angels ihre Motorräder aus gestohlenen, getauschten und speziell angefertigten Teilen selbst zusammenbauen, erklärt nur zum Teil, warum sie so sehr daran hängen. Man muss einmal gesehen haben, wie ein Outlaw seinen Bock besteigt und auf das
Kickstarterpedal tritt, um ganz zu verstehen, was das bedeutet. Es ist, als sehe man einen Dürstenden Wasser finden. Sein Gesichtsausdruck verwandelt sich; sein ganzes Gebaren strahlt Selbstvertrauen und Souveränität aus. Dann sitzt er dort einen Moment lang, die große Maschine grollt zwischen seinen Beinen, und dann braust er davon – manchmal auf coole, zurückhaltende Art und dann wieder laut dröhend mit einem »Wheelie«, sodass alle Fenster in der Nachbarschaft klirren – aber stets mit Stil. Und indem er am Ende jeder Kneipennacht auf grandiose Art und Weise davonbraust, lässt er die anderen mit dem bestmöglichen Bild von sich zurück. Jeder Hell’s Angel ist ein Spiegel in dieser Gesellschaft gegenseitiger Bewunderung. Sie spiegeln einander wider und bestätigen sich in ihren Stärken und Schwächen, Torheiten und Triumphen, und allnächtlich zur Sperrstunde legen sie einen erstklassigen Abgang hin: Aus der Jukebox ertönt ein Stück von Norman Luboff, die Lichter der Bar erlöschen, und Shane donnert trunken in den Mondschein davon.
Ob die Hell’s Angels wirklich gute Motorradfahrer sind oder nicht, ist schwer zu sagen. Von einigen wenigen Drag-Rennen abgesehen, sind die Outlaws bei offiziellen Wettkämpfen nicht zugelassen, und deshalb gibt es keine Vergleichswerte, an die man sich halten könnte. 21 Ihre
Motorräder unterscheiden sich aber grundlegend von Renn- und Crossmaschinen und selbst von anderen Straßenmaschinen. Die Angels erzählen zwar gern, wie sie Profifahrer bei improvisierten Rennen abgehängt haben, aber es kursieren auch Geschichten über Outlaws auf hochfrisierten Hobeln, die von leichten Ducatis gedemütigt wurden.
Diese Anekdoten mögen wahr sein oder auch nicht – die Debatte ist dennoch rein akademisch. Motorräder werden für bestimmte Zwecke gebaut: fürs Motocrossfahren, für Rennen, für Ausfahrten oder auch nur fürs Rumgurken in der Nachbarschaft. Sie alle bewegen sich fort. Aber das tun Hunde und Pferde auch, und niemand züchtet Pferde für die Opossumjagd oder meldet Hunde beim Kentucky Derby an. Die Motorradindustrie versucht seit Jahrzehnten, ein wirkliches Allzweckmodell zu entwickeln, aber bisher ist das noch niemandem gelungen.
Es gibt keinen sinnvollen Vergleich zwischen dem Motocross – und Rennfahren einerseits und dem Fahren eines Motorrads im Straßenverkehr, tagaus tagein, in der Stadt und auf Fernstraßen andererseits. Beides erfordert unterschiedliche Fähigkeiten und Reflexe. Einige der schnellsten Rennmaschinen haben keinerlei Bremsen, was im Straßenverkehr den sofortigen Tod bedeuten würde – und dennoch sagen viele Profifahrer, Highways seien viel gefährlicher als jede Rennstrecke.
Crosscountryfahrer sehen das ähnlich: Nur wenige besorgen sich überhaupt eine Zulassung ihrer Maschinen für den Straßenverkehr. Don McGuire, ehemaliger Crosscountryfahrer und hauptberuflicher Motorradmechaniker aus Richmond, beharrt darauf, nur Verrückte oder Masochisten würden im Straßenverkehr Motorrad fahren.
»Sehen Sie’s mal so«, sagt er. »Bei einem Rennen fahren wir alle in die gleiche Richtung, und wir wissen, was wir da tun. Keiner muss sich Sorgen machen wegen irgendwelchen Spinnern oder Betrunkenen oder alten Damen, die aus einer Sackgasse kommen. Das ist ein Riesenunterschied; man kann sich auf sein Motorrad konzentrieren und es unter Kontrolle behalten. Hin und wieder kommt es zu Verletzungen, aber schlimmstenfalls sind das Knochenbrüche, und nur ganz selten kommt mal jemand dabei ums Leben.
Aber auf den Highways! Himmelherrgott, da fährst du mitten im Verkehr, mit 65 Meilen pro
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