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Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Titel: Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herder
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Rauch über das Medium (Fernsehen) übertragen lassen“.
    Der Journalist Hans-Jürgen Jakobs urteilt anders über den Fall. „Gesetzestreue und ein bisschen Toleranz sind erst recht von jemandem zu erwarten, der acht Jahre lang diese Republik regiert hat“, so Jakobs auf der Internet-Seite der „Süddeutschen Zeitung“. Er sucht gleichwohl die Motive der Schmidts zu verstehen. „Ist es die Lust an der Provokation, das schnelle Gefühl von Freiheit und Abenteuer, das die Schmidts trieb (…)? Oder war es einfach Gedankenlosigkeit?“ Helmut Schmidt gefalle sich als Herausgeber des Wochenblatts „Die Zeit“ in der Rolle des „paffenden Zeitungsphilosophen“, des letzten öffentlichen Rauchers sozusagen. Gesetzestreue und ein bisschen Toleranz seien von jemandem wie Helmut Schmidt allemal zu erwarten.
    © Vera Tammen für „Die Zeit“
    Zigarettenstummel, Reste vom Zucker für den Kaffee, Pistazienschalen. Helmut Schmidts „Hinterlassenschaft“ auf dem Konferenztisch nach einer Redaktionssitzung bei der „Zeit“.
    Helmut Schmidt selbst hat stets bekundet, das Rauchen lasse er sich von niemandem verbieten. Als er sich die Anzeige eingehandelt hatte, gab er sich entsprechend selbstbewusst – aber auch der Lage entsprechend diplomatisch-konziliant. Ob es ihn getroffen habe, dass er angezeigt worden sei, wollte „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in der Reihe „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“ von ihm wissen. Helmut Schmidt verneinte. „Nee, wir haben darüber gelacht.“ Gleichwohl sei es nicht seine Absicht gewesen, im Winterhuder Fährhaus gegen das Gesetz zu verstoßen. Dem Gesetz müsse man gehorchen, immerhin hätten es die Parlamente beschlossen.
    Wie löst Helmut Schmidt den Widerspruch zwischen der persönlichen Freiheit, die er sich nimmt, und der Pflicht zur Gesetzestreue auf ? „Politiker sollen auf ihrem Felde Vorbild sein, aber nicht auf sämtlichen Feldern menschlichen Lebens. Das ist zu viel verlangt.“
    Helmut Schmidt ist Protestant. Er hat sich im Zweiten Weltkrieg mit der Theologie von Martin Luther beschäftigt. Da diskutierte er, als junger Erwachsener, mit einem älteren Kameraden in der Gefangenschaft über das Lutherwort „Seid untertan der Obrigkeit“. Es half ihm, seinen Gewissenskonflikt zu bewältigen zwischen dem Soldaten, der seine Pflicht für das Vaterland leistet, aber zugleich ein Regime von Verbrechern stützt.
    Bestimmt kennt Helmut Schmidt auch das lateinische Luther-Wort „Pecca fortiter“, „Sündige tapfer“. Luther schrieb es in einem Brief an Philipp Melanchthon vom 1. August 1521: „Esto peccator et pecca fortiter, sed fortius fide et gaude in Christo, qui victor est peccati, mortis et mundi!“, „Sei ein Sünder und sündige tapfer, aber glaube und freue dich in Christus umso tapferer, welcher der Sieger ist über die Sünde, den Tod und die Welt!“
    Luther führt in dem Brief weiter aus, „wir müssen sündigen, solange wir hier sind. Dieses Leben ist nicht eine Wohnung der Gerechtigkeit. Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, in welchen Gerechtigkeit wohnt.“
    Wie ist dieses Luther-Wort zu deuten? Natürlich nicht als Aufruf zur Sünde!
    Martin Luther ging es auch nicht darum, die kleineren und größeren Sünden zu verharmlosen. Er wusste aber, dass die Menschen von ihren Sünden nicht lassen können. Zugleich war er überzeugt von der Gnade Gottes, der über die Sünde hinwegsehen wird, da er den guten Vorsatz der Menschen, gemäß dem Glauben zu leben, anerkennt.
    Pecca fortiter – sündige tapfer. Auch Helmut Schmidt sündigt tapfer, indem er öffentlich raucht. Er kann von dieser kleinen Sünde nicht lassen. Es handelt sich um kein Herrschaftsgebaren von der Art des nächsten SPD-Bundeskanzlers, Gerhard Schröder, der sich mit Cohiba-Zigarren ablichten ließ. Gerhard Schröder wollte sich nur in Pose setzen. Helmut Schmidt dagegen ist nikotinabhängig. Er ist so süchtig nach Nikotin, dass die Entwöhnung schädlicher wäre, als beim starken Konsum zu bleiben. Die meisten Deutschen wissen das und sehen ihm diese persönliche Schwäche nach. Sie schmälert ihre Bewunderung und Achtung für die Person Helmut Schmidt nicht.
    In besagtem Gespräch mit Giovanni di Lorenzo gibt Helmut Schmidt den Beginn seiner Rauchergeschichte preis. Seine Frau Loki, mit der er von Kindheit an befreundet war, habe früher als er mit dem Rauchen angefangen, erinnert er sich, sie sei wohl zehn gewesen. Helmut Schmidt bekennt,

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