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Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Titel: Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
Autoren: Herder
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(eingeschlossen die Genossinnen und Genossen in seiner Partei). Mit dieser Brillanz – die sich unter anderem in seiner Fähigkeit zum scharfsinnig-analytischen Denken ausdrückt – gehen Eigenschaften wie politischer Gestaltungswille und persönlicher Ehrgeiz einher (Letzteres würde Schmidt freilich von sich weisen).
    Doch wo Licht ist, fällt auch Schatten – Helmut Schmidt hatte immer schon eine freche Klappe, für die er in wechselnden Lagen persönlich und politisch in Nöte kam. Davon ist gleich die Rede.
    Mit seiner scharfen Zunge fügte er vielen Menschen vielleicht keine Schäden, aber doch Verletzungen zu: Zeitgenossen, die ihm intellektuell nicht gewachsen sind, geht er ungeduldig bis arrogant an. So weit diese Zeitgenossen Gelegenheit hatten, zahlten sie Helmut Schmidt diese Erniedrigung heim. Helmut Schmidts Arroganz ist allerdings nur zum Teil intellektueller Hochmut; er trug oder trägt sie gelegentlich wie eine Schutzweste, um Menschen auf Distanz zu halten.
    Als gescheiter Kopf mit großer Klappe entwickelt sich Helmut Schmidt früh zu einer Führungspersönlichkeit. Anfang der dreißiger Jahre tritt er in die Riege des Ruderklubs Hansa ein, dessen Boote nahe der Lombardsbrücke liegen, und gilt dort bald als „Kapitän“. Helmut Schmidt erinnert sich im Gespräch mit Giovannidi Lorenzo an eine kleine, doch für ihn sehr charakteristische Begebenheit: Als er von einem Ranghöheren, Älteren gefragt wurde, wo er denn hinwolle, gab ihm der Jungspund ein „Ich will aufs Scheißhaus“ zurück.
    Helmut Schmidts Neigung, im Klub das große Wort zu führen, holt ihn im Dezember 1936 ein: Er fliegt aus dem Verein, der inzwischen der Marine-Hitlerjugend angehört, weil er sich über die allgemeine Gängelung im nationalsozialistischen Geist beschwert hat.
    „Völlig undiszipliniertes Verhalten“, „starke Schwatzhaftigkeit, Unbeherrschtheit, Zügellosigkeit im Ausdruck und Robustheit in den Umgangsformen“ – so zitiert Helmut-Schmidt-Biograf Hartmut Soell Aufzeichnungen von Lehrern Helmut Schmidts.
    Als ihm die Mutter – ohne Wissen des Vaters – erzählt, dass er einen jüdischen Großvater hat, macht ihn das vorsichtig, ja ängstlich. Trotzdem kann er sich in seinen Statements über die Nazis, deren dröhnende Reden er widerlich findet und die ihm jetzt persönlich gefährlich werden, nicht zurückhalten. In der Künstlerkolonie von Fischerhude nahe Bremen, wo sich der junge Soldat Helmut Schmidt zu Hause fühlt, ist ein Nazi, der Schmidts Statements aufmerksam zuhört. Im Familienkreis hält sich Schmidt mit seiner Meinung ebenso wenig zurück. Auch dort gibt es einen Verwandten, der als überzeugter Nazi zum Denunzianten werden kann.
    Im Herbst 1944 ereilt Helmut Schmidt plötzlich die Order, sich an einem Verhandlungstag im Prozess gegen die Widerstandskämpfer vom 20. Juli einzufinden. Er soll eingeschüchtert werden, weil sein Vorgesetzter, Generalstabsmajor Georgi, ein Schwiegersohn von General Olbricht ist, der als Mitglied des Widerstandskreises des 20. Juli 1944 umgebracht wurde. Helmut Schmidt reagiert mit tiefem Zorn auf das unfaire Verfahren und sagt unter diesem Eindruck zu Kameraden, er wolle Freisler, den Präsidenten des Volksgerichtshofes, am liebsten umbringen.
    Es ist jedoch nicht diese Äußerung, sondern es sind flapsige Sprüche über Nazi-Führungsleute wie Hermann Göring, die ihn ein weiteres Mal in Gefahr bringen. Nach einer Denunziationwird ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Helmut Schmidt arbeitet zu dieser Zeit auf einer Berliner Dienststelle. Einmal mehr hat er Vorgesetzte, die es gut mit ihm meinen und ihn immer wieder von einem Dienstort zum nächsten versetzen. Auf diese Weise wird das Verfahren verzögert, läuft dem, gegen den ermittelt wird, sozusagen hinterher. Erst mit der Kapitulation im Mai 1945 wird auch dieses Verfahren aufgegeben.
    Helmut Schmidt zeigte sich als aufmüpfiger, den Machthabern fernstehender Geist, der sich beinahe – ganz wörtlich – um Kopf und Kragen geredet hätte. Doch er hat Glück gehabt.
    Nach seinem zügig absolvierten Studium der Volkswirtschaft geht Helmut Schmidt in die Politik, wo er von 1953 an, mit Beginn der zweiten Legislaturperiode, Mitglied des Deutschen Bundestages wird. Als Debattenredner im Parlament erwirbt er sich den Spitznamen „Schmidt-Schnauze“, weil er zu den schärfsten Polemikern der Bonner Republik gehört. Es scheint, als habe Helmut Schmidt die Kunst der manipulativen Rede
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