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Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Titel: Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
Autoren: Herder
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Filtermüll, der nach einem Fernsehgespräch oder nach der Freitagskonferenz der „Zeit“ im Aschenbecher zurückbleibt, widerlegt diese Zahl. Geister mit einer Liebe zur Statistik könnten daraus mit der Formel „Arbeit ist Leistung durch Zeit“ Schmidts Rauchtempo über einen ganzen Tag hin hochrechnen. Selbst bei der Annahme, dass der alte Herr einen ausgedehnten Mittagsschlaf macht, bei dem sogar ein Helmut Schmidt nicht raucht, passt der Tageskonsum an Zigaretten nie und nimmer in zwei Päckchen.
    Nicht um Helmut Schmidt bloßzustellen, sondern um ihn mit seiner tapferen Sünde zu charakterisieren, legte die „SüddeutscheZeitung“ Begleitumstände eines Interviews offen. „Schmidt raucht wenig“, heißt es in einem blau gedruckten Kasten neben dem Gesprächstext, „dennoch verglühen etwa 20 Zigaretten im Verlauf von zwei Stunden. Die Asche wird abgeschüttelt und verschwindet in einem Verlies unter einer rotierenden Metallplatte.“
    Eine vergleichbare Darstellung gibt es von einem Schmidt-Kollegen bei der „Zeit“. „Auf dreizehn (Zigaretten) hat er es in anderthalb Konferenzstunden schon gebracht. Halb erstickt hat das Ressort mitgezählt. Dreizehn Zigaretten in anderhalb Stunden, eine Zigarette alle sieben Minuten. Das muss man erst mal überleben.“
    Wer raucht, braucht Behältnisse für die Überreste. Helmut Schmidt hat in seinem „Zeit“-Büro nicht nur einen Lieblingsaschenbecher, er hat dort nur diesen einen Aschenbecher. In seiner Machart gehört dieser Aschenbecher in die sechziger Jahre. Es handelt sich um ein im Stil konservatives Exemplar. Helmut Schmidt nimmt den Aschenbecher zwar nicht in andere Räume bei der „Zeit“ mit, wie manche Leute ihre Teekannen. Doch im eigenen Büro bringt er ausschließlich dieses Exemplar zum Einsatz. Als die „Zeit“-Kollegin Vera Tammen den Aschenbecher einmal fotografieren wollte, bekam sie das gute Stück nur kurz vor die Linse – nicht auszudenken, wenn Helmut Schmidt in seinem Büro arbeitet und sein persönlicher Aschenbecher nicht verfügbar ist!
    Wer im Film Helmut Schmidt verkörpert, muss auf dessen persönlichen Aschenbecher verzichten. Das mag verkraftbar sein. Weniger gut zu verkraften ist der Umstand, dass er den Tabakinput eines Kettenrauchers abkönnen muss! Der Schauspieler Christian Berkel erfuhr dies am eigenen Leib, oder besser gesagt: durch die eigene Lunge. Berkel spielte Bundeskanzler Helmut Schmidt im Spielfilm-Drama „Mogadischu“, das die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ im Jahr 1977 und die glückliche Befreiung der Geiseln nachstellt.
    Christian Berkel war Nichtraucher, als er die Rolle annahm. Weil er die Rolle auch sehr ernst nahm, begann er, „Helmut Schmidt zu leben“: Er trank Unmengen von Coca-Cola undrauchte Menthol-Zigaretten. Helmut Schmidt war als Bundeskanzler ein leidenschaftlicher Cola-Trinker – das Getränk hielt den notorisch Schlafdefizitären wach, hatte aber auch Anteil an seinem Kugelbauch.
    Christian Berkel wurde allgemein bescheinigt, die Schmidtrolle im ARD-Drama „Mogadischu“ gut gespielt zu haben. Dabei war Berkels Honorar nur ein Schmerzensgeld.
    Um sich stets qualmend ins Bild zu setzen, konsumierte der Nichtraucher Berkel bis zu vier Schachteln Zigaretten pro Drehtag. Anfangs hat sein Körper rebelliert. „Am schlimmsten war der erste Tag“, so Christian Berkel in der Rückschau, „gegen sechs Uhr wurde mir schwindelig, ich konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten, musste mich erst mal in meinen Wohnwagen legen.“
    Noch Wochen nach den Dreharbeiten holt Berkel sein kurzes Leben als „Helmut Schmidt“ ein. Er habe immer wieder große Lust verspürt, Nikotin zu inhalieren. Seine Suchterscheinungen bekämpfte er mit heißem Ingwer-Tee.
    Eine Beeinträchtigung oder gar Schädigung von Christian Berkels Gesundheit ist bis jetzt nicht bekannt. Er kann genauso lange leben wie der tapfere Sünder Helmut Schmidt.

„Zum Schieflachen“ – Mister Klartext
    Dass Helmut Schmidt zum letzten Raucher wurde, steht in der Kontinuität seines langen, geradlinig geführten Lebens.
    Helmut Schmidt war immer schon Raucher. Und er hat sich immer schon wenig darum geschert, was andere über ihn denken. Es ist in der Rückschau erstaunlich, ja es kommt einem kleinen Wunder gleich, dass ein Charakterkopf wie Helmut Schmidt in das wichtigste politische Amt, das Kanzleramt, kommen konnte.
    Helmut Schmidts Festplatte arbeitet schneller als die vieler Zeitgenossinnen und -genossen
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