Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
Helmut Schmidt sein Wahlversprechen gegeben hatte, nicht stimmten und Lage und Zukunft der Rentenkasse einen solch kräftigen Aufschlag verboten. Die Opposition sprach von der „Rentenlüge“. Jetzt wollte sich der Kanzler das fehlende Geld bei den Arbeitnehmern holen, was der Koalitionspartner FDP blockierte. Die SPD wiederum drängte Schmidt zur vollen Erfüllung des Wahlversprechens – so kam es dann auch. Die Rentner und Rentnerinnen wurden der Koalition nicht nur lieb, sondern auch teuer.
Gabor Steingart bescheinigt Helmut Schmidt, er habe als Bundeskanzler „die Tassen wieder in den Schrank stellen wollen“. Komplett wegräumen konnte er das Geschirr nicht. Allein zwischen 1978 und 1980 sind die Ausgaben des Staates fast um ein Drittel gewachsen. Die Staatsverschuldung nahm empfindlich zu.
Versäumnisse auf diesem Feld will sich Helmut Schmidt lange nicht eingestehen. Auf das heikle Thema reagiert er kurz und knapp: Die Probleme der Gegenwart seien in den siebziger und Anfang der achtziger Jahren nicht vorauszusehen gewesen, erst vom Ende der achtziger Jahre an. „Die Vorstellung, dass man etwa 1980 die demografisch letztlich verheerende Entwicklung hätte erkennen müssen, ist falsch“, so Helmut Schmidt in einem „Spiegel“-Gespräch 2006. Das erscheint wenig glaubhaft aus dem Mund dieses – noch einmal Gabor Steingart – „ökonomischen Weitsehers“.
Zwei Jahre später, im Buch „Außer Dienst“, gibt er sich in einer „Auflistung politischer Fehler, die ich mir selbst ankreiden muss“, erstmals selbstkritisch. Er müsse sich das Versäumnis eingestehen, „in meiner Regierungszeit die bereits befindliche Überalterung und die tendenzielle Schrumpfung unserer Gesellschaft nicht erkannt zu haben“. Der Rückgang derGeburtenraten sei objektiv bereits in den sechziger Jahren eingetreten.
Seine Vorausschau auf Zustand und Zukunft des Sozialstaates war seinerzeit unzureichend; heute hat er eine dezidierte Meinung zu dem Thema. Wenn die Politik das Problem der Massenarbeitslosigkeit nicht in den Griff bekommt, „können wir den bisherigen Sozialstaat nicht aufrechterhalten“, so Helmut Schmidt in seinem Buch „Außer Dienst“. Dann bestehe durchaus die Gefahr, dass die Wähler sich massenhaft von den demokratischen Volksparteien abwenden. Die Massenarbeitslosigkeit hält er für das gravierendere Problem als das chronisch unterfinanzierte Gesundheitssystem.
Helmut Schmidts Feststellung mag zutreffend sein, doch bei diesem Thema fragt man sich (wie auch sonst, wenn ehemalige Politiker wie Wolfgang Clement oder Friedrich Merz Bücher publizieren): Weshalb hat der Autor während seiner politisch aktiven Zeit nicht entsprechend gehandelt?
Mehr Weitsicht hat Helmut Schmidt bei seiner Außen- und Sicherheitspolitik bewiesen: In den neunziger Jahren machten der frühere Kremlchef Michail Gorbatschow und andere publik, dass der NATO-Doppelbeschluss das Sowjetregime destabilisiert hat. Die Kreml-Herren mussten erkennen, dass Mitteleuropa nicht erpressbar war – es war der Sowjetunion weniger um den Einsatz ihrer SS-20-Mittelstreckenwaffen gegangen als um die Erpressbarkeit von Deutschland und seinen Nachbarn.
Der CDU-Politiker Kurt Biedenkopf, zeitweilig Generalsekretär seiner Partei und wie Helmut Schmidt schon immer Klartext-Redner, hält die Laudatio, als Helmut Schmidt 2003 der Dolf-Sternberger-Preis verliehen wird. Biedenkopf nennt Schmidts Eintreten für den NATO-Doppelbeschluss die „bedeutendste strategische Entscheidung im Zusammenhang mit der Konfrontation des Kalten Krieges“. Das Signal „Verhandeln, aber nicht zurückweichen, deutlich machen, wo die Grenzen sind“ sei in Moskau verstanden worden „als die Bestätigung für die Aussichtslosigkeit der bisherigen Versuche, das atlantische Bündnis aufzubrechen, jedenfalls aber Deutschland aus dem Bündnis zu lösen“.
Wenigstens auf diesem Feld hat Helmut Schmidt denn doch Geschichte gemacht. Von ihm ging hier eine wichtige, maßgebliche Weichenstellung aus – vielleicht vergleichbar mit der seinerzeit umstrittenen Entscheidung von Konrad Adenauer, die junge Bundesrepublik fest an den Westen zu binden.
Späte Liebe – Helmut Schmidt und die Deutschen
Willy Brandt wurde von vielen Deutschen verehrt und geliebt, Helmut Schmidt wird geachtet und hoch geschätzt. Die unterschiedliche Bewertung, die beide erfahren, entspricht der Verschiedenheit ihrer Charaktere.
Helmut Schmidt tat selbst alles dafür, dass aus der
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