Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
Eltern, Schulen, Kirchen und die Gesellschaft zu löschen. Um sich vom Ego zu befreien, sei es laut Manson unabdingbar, »all die Bedürfnisse auszumerzen, die man so hat … seine Mutter und seinen Vater aufzugeben … all die Hemmungen über Bord zu werfen … sich einfach nur leer zu machen«.
Da Manson abhängig davon, ob er es mit einem Mann oder einer Frau zu tun hatte, unterschiedliche Techniken anwandte, fragte ich Juan, was Manson darüber gesagt hatte, wie er Frauen »entprogrammieren« wolle. Ich rechnete nicht damit, dass Juan so ins Detail gehen würde.
A: »Na ja, er sagte, dass man sich, um die Hemmungen zu vertreiben, einfach eine Handvoll Mädchen schnappen und sie auffordern könnte, sich auf den Boden zu legen, um sich gegenseitig zu vernaschen. Oder ich könnte mir ein Mädchen mit in die Berge nehmen, mich bequem zurücklehnen und mir von ihr den ganzen Tag den Schwanz lutschen lassen …«
Kanarek: »Euer Ehren! Euer Ehren! Dürfen wir vortreten, Euer Ehren?«
Bereits zuvor hatte sich einer der Ersatzgeschworenen Richter Older gegenüber schriftlich über die drastische Ausdrucksweise einiger Zeugen bezüglich sexueller Dinge beschwert. Ich wagte nicht, ihn anzusehen, doch ging ich davon aus, dass er schockiert war. Als ich auf dem Weg zum Richtertisch an dem Tisch der Verteidigung vorbeikam, sagte ich zu Manson: »Keine Sorge, Charlie, die richtig schlimmen Sachen halte ich raus.«
Older ließ die gesamte Antwort aus dem Protokoll streichen, da sie keine Antwort auf die Frage darstellte.
Nun fragte ich Juan: »Hat Mr. Manson mit Ihnen darüber geredet – und geben Sie ihn bitte nicht wortwörtlich wieder, Juan –, wie er die Leute in der Family › entprogrammieren‹ wollte?« Als er Ja sagte, ließ ich es dabei bewenden.
Was Manson seiner Family nie bewusst machte, war die Tatsache, dass er sie, während er sie »entprogrammierte«, zugleich neu programmierte, um unterwürfige Lakaien aus ihnen zu machen.
Während seines ganzen Kreuzverhörs unterstellte Kanarek – wie bereits bei vielen früheren Zeugen – stets, dass ich Juan beeinflusst hätte. Daher ging ich davon aus, dass er die gleiche Masche erneut anwenden würde, als er anfing: »Mr. Flynn, wenn Ihnen eine Frage gestellt wird, von der Sie glauben, dass sie der Anklage nicht hilft ...«
Bugliosi: »Nicht das schon wieder.«
Kanarek: »Euer Ehren, er unterbricht mich!«
Bugliosi: »Seien Sie doch endlich mal still!«
Das hohe Gericht: »Mr. Bugliosi, ich warne Sie nicht noch einmal, Sir.«
Bugliosi: »Was soll das, Euer Ehren? Er bringt fortwährend Unterstellungen vor, und das gefällt mir nicht.«
Das hohe Gericht: »Treten Sie bitte vor.«
Bugliosi: »Ich lasse mir das nicht länger gefallen. Mir steht es bis hier.«
Meine Empörung war ebenso sehr ein taktisches Verfahrensmanöver wie tatsächlicher Zorn. Denn wenn ich Kanareks Masche immer und immer wieder duldete, dann würden die Geschworenen vielleicht doch noch glauben, dass an seinen Anschuldigungen etwas Wahres dran sei. Vor der Richterbank sagte ich zu Older: »Ich lasse mich nicht Tag für Tag einer schweren Verfehlung bezichtigen.«
Das hohe Gericht: »Das ist absurd. Sie haben Mr. Kanarek unterbrochen. Sie haben vor den Geschworenen ungeheuerliche Äußerungen von sich gegeben … Ich befinde Sie daher der Missachtung des Gerichts für schuldig und verurteile Sie zu einem Bußgeld von 50 Dollar.«
Zur Erheiterung des Gerichtsdieners musste ich erst meine Frau anrufen und sie bitten, herzukommen und das Bußgeld zu bezahlen. Später sammelten die Kollegen von der Bezirksstaatsanwaltschaft einen Dollar pro Mann für einen »Bugliosi-Verteidigungsfonds« und erstatteten meiner Frau die Summe.
Ähnlich wie bereits zuvor bei der Belangung von Hughes war ich der Meinung, dass ich, wenn überhaupt, allenfalls der Missachtung Kanareks bezichtigt werden konnte. Am folgenden Tag äußerte ich mich für das Protokoll zu dem Vorgang und bemerkte unter anderem: »Ich ersuche das Gericht darum, in Zukunft bitte zwei Dinge zu berücksichtigen: Dies ist zum einen ein Prozess mit heftig geführten Kontroversen, bei denen sich die Gemüter schon einmal erhitzen können. Zum anderen bitte ich darum zu beachten, was Mr. Kanarek tut und wie er mich zu einer Reaktion provoziert.«
Nach meiner Belangung hatten wir jetzt Gleichstand erreicht: Jeder am Prozess beteiligte Anwalt war entweder schon einmal wegen Missachtung belangt oder zumindest verwarnt worden.
Die
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