Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
im Laufe zahlreicher polizeilicher Befragungen allmählich ans Licht kam. Im offiziellen Bericht heißt es dazu: »Er galt als Weiberheld und nahm viele Frauen mit in seine Residenz in den Bergen von Hollywood. Er fesselte die Frauen dann mit einer Kordel und peitschte sie aus, wenn sie ihre Zustimmung dazu gaben, um danach mit ihnen Geschlechtsverkehr zu haben.«
Entsprechende Gerüchte hatten schon lange in Hollywood kursiert. Jetzt griff die Presse sie natürlich auf, und in kürzester Zeit bildeten sie die Grundlage für zahlreiche Theorien, allen voran der, dass in der Nacht des 9. August 1969 im Haus am Cielo Drive eine Art sadomasochistische Orgie stattgefunden habe.
Die Kripo sah in Sebrings ausgefallenen sexuellen Vorlieben allerdings nie einen möglichen Grund für die Morde. Keine der befragten Frauen – und da kamen einige zusammen, da sich Sebring häufig mit fünf oder sechs verschiedenen Mädchen pro Woche traf – gab an, dass Sebring sie tatsächlich verletzt oder ihr Schmerzen zugefügt habe, er habe sie nur gebeten, Schmerzen vorzutäuschen. Auch hatte Sebring den Ermittlungen zufolge nie etwas mit Gruppensex zu tun: Er hatte viel zu viel Sorge, seine privaten Marotten könnten ihn der Lächerlichkeit preisgeben. Die banale Wahrheit lautete wohl eher, dass sich hinter dem sorgsam kultivierten Bild in der Öffentlichkeit ein einsamer, gestörter Mann verbarg, der in seiner Rolle so unsicher war, dass er sich selbst noch in seinem Sexualleben in die Fantasie flüchten musste.
Die Todesursache: Exsanguination – er war buchstäblich verblutet. Auf das Opfer war siebenmal eingestochen und einmal geschossen worden. Mindestens drei der Stichwunden sowie die Schusswunde waren jeweils für sich genommen bereits tödlich.
»Abigail Anne Folger, weiblich, weiß, 25 Jahre alt, 1,63 Meter groß, 55 Kilogramm schwer, braunes Haar, braune Augen, seit dem 1. April wohnhaft 10050 Cielo Drive. Bis dahin hatte sie in der Woodstock Road gewohnt. Beruf: Erbin des Folger-Kaffee-Imperiums …«
Abigail »Gibby« Folgers Debütantinnenball fand am 21. Dezember 1961 im »St. Francisco Hotel« in San Francisco statt. Das Fest im italienischen Stil gehörte zu den gesellschaftlichen Highlights der Saison, zu dem die Debütantin ein leuchtend gelbes Dior-Kleid trug, das sie im Sommer zuvor in Paris gekauft hatte.
Anschließend hatte sie mit Prädikatsexamen ihr Studium am Radcliffe College abgeschlossen, war eine Zeit lang für die Öffentlichkeitsarbeit des Kunstmuseums der University of California in Berkeley zuständig, hatte diese Stellung dann aufgegeben, um in einem New Yorker Buchladen zu arbeiten, und sich schließlich als Sozialarbeiterin in den Gettos engagiert. In dieser Zeit in New York, Anfang des Jahres 1968, machte sie der polnische Schriftsteller Jerzy Kosinski mit Voytek Frykowski bekannt. Im August verließen die beiden zusammen New York und fuhren nach Los Angeles, wo sie in den Hügeln von Hollywood an der Woodstock Road, einer Nebenstraße der Mulholland, ein Haus mieteten. Durch Frykowski lernte Folger die Polanskis, Sebring und andere aus deren Freundeskreis kennen. Sie gehörte zu den Investoren der Sebring International.
Kurz nach ihrer Ankunft in Südkalifornien meldete sie sich als ehrenamtliche Sozialarbeiterin beim Bezirkswohlfahrtsamt Los Angeles und stand jeden Morgen in aller Herrgottsfrühe auf, um in Watts, Pacoima und anderen Gettos ihren Dienst zu tun. Diese Arbeit führte sie bis einen Tag vor ihrem Einzug mit Frykowski in das Haus am Cielo Drive fort.
Danach trat eine Veränderung ein. Der Gedanke, wie wenig ihre Bemühungen tatsächlich bewirkten und wie groß die Probleme blieben, deprimierte sie. »Viele Sozialarbeiter gehen abends nach Hause, nehmen ein Bad und waschen den Tag ab«, erklärte sie einer alten Freundin aus San Francisco. »Das kann ich aber nicht. Das Leid geht mir unter die Haut.« Im Mai kandidierte der schwarze Stadtrat Thomas Bradley gegen den Amtsinhaber Samuel Yorty für das Amt des Bürgermeisters von Los Angeles. Über Bradleys Niederlage, die mit rassistischen Verleumdungen einhergegangen war, war Folger sehr enttäuscht. Sie nahm ihre Sozialarbeit nicht wieder auf. Sie machte sich auch Sorgen über ihre Beziehung mit Frykowski und ihren Drogenkonsum, der das Experimentierstadium längst überschritten hatte.
Über all diese Dinge redete sie mit ihrem Psychiater Dr. Marvin Flicker, den sie an fünf Tagen der Woche um 16.30 Uhr aufsuchte.
Ihren
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