Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
»Liegt nicht Expertentum immer im Auge des Betrachters? Viele sehen einen Fachmann in mir, und so habe ich mich an den Gedanken gewöhnt, einer zu sein.«
F: »Halten Sie Dr. Thomas Ungerleider von der University of California Los Angeles für einen Experten auf dem Gebiet von LSD?«
A: »Ja.«
F: »Mehr als sich selbst?«
A: »Darüber maße ich mir kein Urteil an. Das überlasse ich anderen.«
F: »Betrachten Sie Dr. Duke Fisher von der UCLA für einen Experten auf dem Gebiet von LSD?«
A: »Ja.«
Im Anschluss daran stellte ich klar, dass die beiden Wissenschaftler einen Aufsatz mit dem Titel »Die Probleme von LSD bei psychischen Störungen« geschrieben hatten, in dem sie zu dem Schluss gekommen waren, »dass es keine wissenschaftlich nachweisbaren Anhaltspunkte für eine von LSD verursachte organische Hirnschädigung gibt«.
Nun musste Tweed einräumen, dass dies dem aktuellen Forschungsstand gemäß richtig sei.
Am 24. Dezember 1969 war Patricia Krenwinkel in Mobile, Alabama, von einem Psychiater namens Dr. Claude Brown untersucht worden. Da Tweed seine Schlussfolgerungen teilweise auf das Gutachten von Brown gestützt hatte, erhielt ich kurz vor meinem Kreuzverhör eine Kopie davon.
Daraus ergab sich, wie meine nächste Frage an Dr. Tweed zeigte, ein Volltreffer.
F: »Haben Sie, als Sie sich Ihre Meinung über Patricia Krenwinkel gebildet haben, berücksichtigt, dass sie Dr. Tweed erzählt hat, dass Charles Manson ihr in der Nacht der Tate-Morde aufgetragen hat, mit Tex Watson mitzugehen?«
Nach zahlreichen Einsprüchen und endlosen Besprechungen an der Richterbank räumte Dr. Tweed ein, dass er dies berücksichtigt habe. Später wurde Patricia Krenwinkel noch einmal aufgerufen und gab zu, Dr. Brown dies erzählt zu haben, auch wenn sie leugnete, dass es der Wahrheit entsprach.
Wir hatten nun wirklich viel erreicht. Manson hatte Sadie, Katie und Leslie offenbar aufgefordert, in den Zeugenstand zu treten, um ihn zu entlasten. Doch dadurch war es gelungen, das Gegenteil zu beweisen: Denn jedes der drei Mädchen hatte zugeben müssen, zuvor anderen gegenüber gestanden zu haben, dass Manson hinter den Morden steckte.
Das Brown-Gutachten hielt aber noch weitere Überraschungen bereit. Krenwinkel hatte dem Doktor nämlich auch erzählt, dass sie nach Mobile geflohen sei, »weil sie Angst hatte, Manson könne sie finden und töten«, 93 dass sie am Tag der Tate-Morde gerade einen LSD-Trip hinter sich gehabt und daher in dieser Nacht keine Drogen genommen habe, und schließlich, dass sie nach den Morden immer Angst gehabt habe, für ihre Tat verhaftet zu werden, auch wenn »Charlie sagte, niemand könne uns etwas anhaben«.
Letztere Bemerkung bewies, dass Katie sich der Konsequenzen ihrer Handlungen sehr wohl bewusst war.
Dies war so wichtig, weil die Verteidiger, ihren Fragen nach zu urteilen, offenbar behaupten wollten, dass ihre drei Mandantinnen zum Zeitpunkt der Morde unzurechnungsfähig gewesen seien.
Nach kalifornischem Recht muss der Tatbestand der Unzurechnungsfähigkeit vor Prozessbeginn angesprochen werden. Nach dem Verfahrensabschnitt zur Schuldfrage wird dann über die Unzurechnungsfähigkeit beraten. Die Verteidigung hatte einen solchen Einwand jedoch nicht zum dafür bestimmten Zeitpunkt vorgebracht. Aus diesem Grund war die Frage, ob die Angeklagten zurechnungsfähig waren oder nicht, quasi unerheblich, denn die Geschworenen mussten nicht darüber befinden. Allerdings konnte dies dennoch wichtig werden, denn wenn es der Verteidigung gelingen würde, bei den Geschworenen Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit der Angeklagten zu wecken, so konnte dies auf die Strafmaßentscheidung einen großen Einfluss haben.
So musste ich nun nicht nur erneut Mansons Schuld beweisen, sondern auch noch die juristische Zurechnungsfähigkeit der Mädchen.
In den meisten Bundesstaaten einschließlich Kalifornien wird die Unzurechnungsfähigkeit im juristischen Sinne laut der sogenannten M’Naghten Rule bewertet. Laut M’Naghten ist ein Angeklagter im juristischen Sinne unzurechnungsfähig, wenn er aufgrund einer Geisteskrankheit oder geistigen Störung nicht begreift, dass sein Tun ein Unrecht darstellt. Dabei genügt es allerdings nicht, dass er selbst das Unrecht seiner Handlungen nicht erkennt, denn dann unterstünde jeder seinem eigenen Gesetz. So könnte beispielsweise ein Mann ein Dutzend Frauen vergewaltigen und sich dann mit der Behauptung »Für mich ist Vergewaltigung nichts Verwerfliches«
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